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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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übergeben. Etwas Hühnerbrühe kann auch nicht schaden. Das Verabreichen von Flüssigkeit sollte kein Problem sein, denn Nadja wird einen brennenden Durst verspüren.« Er packte seine Sachen wieder in die braune Ledertasche, die er neben sich auf den Boden gestellt hatte, und stand auf. »Wenn alles gut geht, wird Nadja morgen Abend Eurer Vorstellung beiwohnen können.«
    Boleslav umarmte den Mann und drückte so fest zu, dass Hakon glaubte, einige Knochen knacken zu hören. Auch Vera fiel ihm um den Hals und gab dem schmächtigen jungen Mann einen Kuss auf die Wange.
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte sie. Es war das erste Mal, dass Hakon seine Mutter den Tränen nah sah.
    Dr. Mersbeck winkte ab. »Ist schon in Ordnung. Gebt mir einfach eine Freikarte für ihre Vorstellung.«
    » Eine Freikarte?«, rief Boleslav. »Mein lieber Doktor, Sie bekommen so viele, wie Sie für Ihre Familie brauchen.«
    »Wie ich sagte: eine«, antwortete der Arzt verlegen und ging zur Tür des Wagens. »Ruft nach mir, wenn Probleme auftreten sollten. Ich wünsche Euch noch ein paar schöne Tage in Vilgrund.«
    In der Tat öffnete Nadja bei Sonnenaufgang die Augen und verlangte nach einem Becher Wasser, das sie aber augenblicklich in hohem Bogen erbrach. Doch ihre Mutter war geduldig, und Hakon machte es nichts aus, immer wieder den Eimer, der neben dem Bett stand, auszuleeren. Boleslav hatte mittlerweile die anderen Artisten zusammengetrommelt und gemeinsam mit ihnen begonnen, das rote Kuppelzelt zu errichten.
    Als schließlich das Fieber so weit gesunken war, dass Nadja ansprechbar war, brach auch Hakon in Tränen aus.
    »He, Brüderchen«, sagte sie matt. »Kein Grund, so zu heulen. Du weißt doch: Unkraut vergeht nicht.« Sie schloss die Augen. »Wie lange war ich weg?«
    »Eine Woche«, sagte Hakon und wischte die Tränen weg. »Und beinahe sah es so aus, als würdest du nicht wiederkommen.«
    »Ja, ich kann mich an einige sehr lebhafte und ziemlichunangenehme Träume erinnern. Sie hatten alle etwas mit Hitze und Durst zu tun.« Sie nippte an einem Becher gesüßten Tee, den sie glücklicherweise bei sich behielt. »Wo sind wir eigentlich?«
    »In einem Nest namens Vilgrund.«
    »Klingt nicht sonderlich vielversprechend.«
    »Oh, es ist in Ordnung. Wir sind jedenfalls mit offenen Armen aufgenommen worden.«
    Nadja schaute ihren Bruder an, als würde er sich über sie lustig machen.
    »Doch, doch«, versicherte er ihr. »Ohne den Bürgermeister und den Arzt, den er gerufen hat, wärst du jetzt mit Sicherheit tot.«
    Nadja kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Und was wollten sie für ihre Fürsorglichkeit haben?«
    Hakon grinste über beide Ohren. »Freikarten.«
    Sie setzte sich mühsam in ihrem Bett auf. »Du machst Witze.«
    Ihr Bruder hob die Hand zum Schwur. »Käme mir nie in den Sinn.«
    Nadja schüttelte den Kopf. »All die Jahre, die wir über die Dörfer ziehen, sind wir wie Aussatz behandelt worden, und auf einmal soll sich alles geändert haben?«
    »Nun, zumindest in Vilgrund.«
    Seine Schwester schlug die Decke beiseite.
    »Was hast du vor?«, sagte Hakon.
    »Ich will dieses Paradies mit eigenen Augen sehen.« »Aber ... du kannst noch nicht aufstehen!«
    »Unsinn. Mir geht es gut. Und vergiss nicht: Ich bin nurknapp ein Jahr jünger als du und du bist fünfzehn und nicht fünfzig und mein Erziehungsberechtigter. Komm, hilf mir auf die Beine.«
    Hakon lächelte, denn das war wieder ganz die alte Nadja. Er umfasste ihre Taille und legte sich ihren Arm um die Schulter. Erschrocken stellte er fest, wie leicht sie war. Auch wenn sie meinte, jetzt schon Spaziergänge machen zu können, würde es sicher noch lange dauern, bis sie wieder auf dem Seil tanzen oder auf dem Rücken eines Pferdes sitzen konnte. In ihrem schmalen, blassen Gesicht wirkten ihre schwarzen Augen unnatürlich groß.
    Als er die Tür öffnete, schien ihnen die Sonne geradewegs ins Gesicht. Es war ein Tag wie Samt und Seide. Das Zelt stand und leuchtete rot im Morgenlicht. Bunte Fahnen und Wimpel knatterten im Wind, der frisch, aber nicht kalt war. Dafür schien er gesättigt mit dem Duft von Wiesenblumen und Kräutern, die um sie herum auf der Gemeindewiese wuchsen. Nadja beschattete die Augen und holte tief Luft.
    »Wie lange ist es her, dass wir die Sonne gesehen haben? Tage? Oder gar Wochen?«
    »Mir kommt es wie ein halbes Leben vor«, sagte Hakon lachend. Er wollte Nadja auf einer Bank absetzen, aber sie schüttelte den

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