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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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muss zum Meldeamt und dann geht es wieder zurück.«
    Nadja klatschte aufgeregt in die Hände. »Werden wir mit einem Zug fahren?«
    Ihr Vater nickte. »Holt euch eure Jacken, und dann geht es los.«
    Der Bahnhof von Drachaker war ein mit Blumen geschmücktes Backsteinhaus, in dessen Innerem sich neben einem kleinen Wartesaal auch ein Fahrkartenschalter befand, hinter dem ein älterer Mann mit Schnauzbart und Schirmmütze saß. Die Messingknöpfe seiner blauen Uniform waren poliert und auch ansonsten schien es der Bahnhofsvorsteher sehr genau mit seiner Arbeit zu nehmen.
    »Dreimal nach Lorick Zentralstation, hin und zurück, dritte Klasse. Macht vierzehn Kronen.«
    Hakon stieß einen leisen Pfiff aus. »So teuer?« Er schaute seinen Vater an. »Vielleicht sollten wir doch bei Mutter bleiben und ihr helfen.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich denke, eine Fahrt in die Stadt habt ihr euch verdient.«
    Nadja schlug schuldbewusst die Augen nieder. »Wir haben sowieso kein Geld, und eigentlich kann Mutter unsere Hilfe gut brauchen ...«
    »Glaubt mir, wenn ich auf dem Amt keinen Erfolg habe, werden die vierzehn Kronen auch keine Rolle mehr spielen«, sagte Boleslav und versuchte zu lächeln. Hakon spürte die Angst vor der ungewissen Zukunft, die seinem Vater das Herz schwer machte. Noch nie hatte er den Mann, der stark wie ein Bär war, so niedergedrückt erlebt.
    »Was ist nun? Wollen Sie die Karten oder nicht? Der Zug fährt gleich ein und ich muss noch die Schranke schließen«, blaffte sie der Mann hinter dem Schalter an.
    Boleslav bezahlte und sie traten hinaus auf den Bahnsteig. Der Zug, der zehn Minuten später in die kleine Station einfuhr, hatte eine dunkelblaue Dampflok, die zehn Waggons hinter sich herzog. Die ersten beiden Wagen waren den Reisenden erster Klasse vorbehalten und die nächsten vier der zweiten Klasse. Ganz hinten waren die Waggons der dritten. Hakon stieg in den letzten ein und schaute sich um.
    Der Waggon war so voll besetzt, dass sie nicht zusammen auf einer der Holzbänke sitzen konnten. Boleslav setzte sich zu einer Frau neben die Tür, während Nadja einen Platz neben einer älteren dicken Dame fand, die sie freundlich anlächelte und noch ein Stück rutschte, damit das Mädchen nicht auf der Kante sitzen musste. Hakon ergatterte tatsächlich noch einen Sitz am Fenster.
    Nach zwei Minuten wurden die Türen zugeschlagen und ein Pfiff ertönte. Mit einem vernehmlichen Ruck fuhr der Zug an. Hakon schaute hinaus. Weite Felder, auf denen monströse Traktoren die Ernte einfuhren, glitten an ihnen vorüber und wechselten sich mit kurzen Waldstücken ab. Hakon versuchte es sich auf der Holzbank so bequem wiemöglich zu machen. Es war eine angenehme Art des Reisens und sie ging schneller als mit einem Pferdegespann. Alle fünf Minuten fuhr der Zug in einen Bahnhof ein, und je näher sie der Stadt kamen, desto mehr Leute stiegen zu als aus. Schon standen die ersten Reisenden im Gang, aber keiner beschwerte sich darüber. Jeder schien zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein.
    Dann veränderte sich die Landschaft. Statt der Felder sah Hakon nun weitläufige, verkommene Fabrikanlagen. Dieses Industriegebiet, das Lorick im Norden vorgelagert war und sich weit nach Osten zu erstrecken schien, war so riesig, dass der Zug zweimal halten musste.
    Die ersten schäbigen Wohnhäuser tauchten auf. Hakon bemerkte, dass alle einen kleinen Garten hatten, in denen die Bewohner Ziegen hielten und Gemüse anbauten, wobei er sich jedoch fragte, ob das Grünzeug überhaupt genießbar war. Alles war mit Schmutz überzogen, der von den Fabrikschloten ausgehustet wurde und wenige Meilen weiter wieder herabrieselte.
    Schließlich wichen die schäbigen Häuschen großen, mehrstöckigen Wohnblocks. Hier gab es kein Grün mehr, alles war grau in grau. Es waren schreckliche Behausungen. Trotz des Drecks hatten die Leute die Wäsche in den Höfen zum Trocknen aufgehängt. Es gab nichts Buntes oder gar Weißes zu sehen, alles wirkte schmutzig. Wahrscheinlich fiel im Winter sogar grauer Schnee.
    Weiter ging die Fahrt. Noch immer hatten sie nicht das Zentrum von Lorick erreicht. Aus dem Zug war nun eine Hochbahn geworden, die breite Straßen überquerte, aufdenen sich doppelstöckige Dampfbusse, Automobile und Pferdefuhrwerke stauten. Obwohl es nicht geregnet hatte, schien das Straßenpflaster nass zu glänzen.
    Schließlich machte der Zug eine weit ausladende Linkskurve. Jetzt endlich wurde der Blick auf die Zentralstation frei.

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