Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
hat alles Erdenkliche getan, um jeden Hinweis auf seine wahre Identität zu verwischen. Keine Etiketten in der Kleidung, keine Bilder von ihm, keine persönlichen Gegenstände und keine handschriftlichen Zeugnisse.«
»Wir haben seine Unterschrift auf der Heiratsurkunde«, wandte Lennart ein.
»Na, bestens«, brummte Elverum. »Aber die wird uns auch nicht viel weiterhelfen.«
»Ich vermute, Tsiolkovski war untergetaucht und hatte bei dieser Sigrunsdottir wenigstens für einige Zeit einen sicheren Unterschlupf gefunden. Aber wovor ist er geflohen? Und wo war er in der Zeit zwischen seinem Verschwinden und seinem Tod? Er muss sich irgendein anderes Versteck gesucht haben. All diesen Aufwand hat er bestimmt nicht betrieben, weil er ein kleiner Gauner war, den die Polizei suchte. Also, was haben wir von ihm?« Lennart zählte die Punkte an seinen Fingern ab. »Einen falschen Namen. Eine vermutlich verstellte Unterschrift. Eine Beschreibung, die auf fast alle Männer Morlands zutrifft. Und maßgeschneiderte Kleider ohne Herstellerangaben. Das ist nicht viel.«
»Genau genommen ist es gar nichts«, knurrte Elverum und schlug wütend mit der Faust gegen den Bretterverschlag. »Wir laufen ins Leere.«
»Oh ja«, sagte Lennart. »Und ich befürchte, dass es bei den übrigen Toten nicht anders sein wird. Kommen Sie, gehen wir zurück.«
»Soll ich Sie nach Hause fahren?«
Lennart seufzte. »Nein, ich habe noch zu arbeiten. Magnusson möchte morgen seinen Bericht haben.«
***
»Alles in Ordnung mit dir?«
Hakon blinzelte und öffnete langsam die Augen. Er wollte sich aufrichten, aber ein Schmerz scharf wie ein Blitz fuhr ihm durch den Kopf und er sank wieder in das Kissen zurück.
»Was ist geschehen?«, fragte er seine Mutter, die ihm mit einem feuchten Lappen die Stirn abtupfte.
»Ich glaube, das solltest du uns erklären«, sagte Boleslav, der auf dem Kutschbock saß und zu dem kleinen Fenster hineinschaute, das hinter ihm im Wagen eingelassen war.
Erst jetzt fiel Hakon das Schaukeln auf. »Wir fahren?«, fragte er erstaunt. »Warum?«
»Weil man uns mit Schimpf und Schande aus Vilgrund vertrieben hat«, sagte sein Vater. »Erinnerst du dich nicht mehr daran, was passiert ist?«
Hakon presste die Augen zusammen und rieb sich die Stirn. Die Kopfschmerzen schienen sein Gehirn in zwei Hälften zu zerreißen. »Ich weiß nur noch, dass ich den Zetteltrick aufgeführt habe«, stöhnte er. »Und dass irgendjemand durchschaut hat, wie er funktionierte.«
»Das war nicht der Grund für den Aufruhr, den es im Anschluss an die Vorstellung gegeben hat«, sagte seine Mutter. Plötzlich fiel es Hakon wieder ein. »Die Kuh.«
»Oh, wenn es nur die gewesen wäre. Du hast einige Bewohner des Dorfes in eine ziemlich peinliche Situation gebracht.«
»Wie hast du das angestellt?«, fragte Boleslav. »Bist du durch Vilgrund gegangen und hast die Leute ausgequetscht? Ich meine, woher konntest du wissen, dass die Frau ein Kind erwartet?«
»Ich wusste es einfach«, sagte Hakon leise.
»Na, nun komm. Uns brauchst du keine Geschichten zu erzählen. Wir wissen, wie deine Tricks funktionieren. Du bist gut, kein Zweifel. Aber was du gestern getan hast, war eine ganz andere Kategorie«, sagte sein Vater. »Warum hast du uns nicht eingeweiht?«
Weil es kein Trick war, wollte Hakon sagen, verkniff sich aber die Antwort, da er selbst nicht verstand, was geschehen war. »Hab ich vergessen. Kommt nicht wieder vor«, sagte er. »Was ist unser nächstes Ziel?«
»Lorick«, sagte sein Vater.
»Oh«, machte Hakon nur. Sie hatten alle nicht die besten Erinnerungen an den letzten Auftritt in der Hauptstadt. Erst hatten sie den ganzen Beamtenapparat für eine teure Auftrittsgenehmigung schmieren müssen und dann waren keine Besucher gekommen.
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Boleslav. »Vilgrund war unsere letzte Chance, ich hatte noch mit zwei zusätzlichen Vorstellungen gerechnet. Wir sind am Ende. Eine weitere Tour wäre zu riskant. Wenn die nächste Aufführung wieder ein solches Desaster wird, müssen wir den Zirkus verkaufen. Und dazu ist Lorick der beste Ort.«
»Na, nun warten wir es erst einmal ab«, sagte Vera, die die Sorgenfalten auf Hakons Stirn richtig deutete. »Noch ist es nicht so weit.«
Hakon richtete sich auf und wartete, bis sich das Schwindelgefühl gelegt hatte. In seinem Kopf brummte es noch immer, nur klang es jetzt nicht mehr wie ein entfesselter Hornissenschwarm.
Was war am gestrigen Abend bloß
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