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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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und ging die schmale Treppe hinauf in den ersten Stock. Lennart und Elverum folgten.
    »Das ist sein Zimmer«, sagte sie und machte einen Schritt beiseite. Lennart trat ein. Unter seinen Füßen knarzten die Dielen. Ein muffiger Geruch nach Staub hing in der Luft. Hier war lange nicht mehr gelüftet worden.
    »Darf ich die Vorhänge beiseiteziehen?«, fragte er. Die Frau nickte.
    Das Licht fiel trübe in den kleinen Raum, der mit einem Bett, einem Schrank sowie einem kleinen Büfett so vollgestellt war, dass er überladen wirkte. Und dennoch fiel Lennart auf, dass so gut wie keine persönlichen Gegenstände vorhanden waren.
    »Haben Sie hier aufgeräumt?«, fragte er.
    »Nein. Karel ist – war immer sehr ordentlich gewesen.« Eine Träne lief ihre Wange hinab.
    Elverum öffnete den Kleiderschrank. Der Teergestank von Mottenpulver schlug ihm entgegen. »Schauen Sie sich das an, Chefinspektor.« Er nahm einige maßgeschneiderte Anzüge heraus, die sorgfältig auf Bügeln hingen, und legte sie auf das Bett. »Die Etiketten fehlen.«
    Lennart untersuchte die anderen Schubladen. Außer Unterwäsche und Socken fand er nichts. Neben dem Schrank standen zwei Paar eindeutig handgefertigte Schuhe, die aber so gut wie nie getragen worden waren. Und auch hier hatte sich jemand die Mühe gemacht, alle Hinweise auf den Hersteller zu entfernen.
    »Gibt es sonst irgendwelche Unterlagen? Briefe, die Ihr Mann geschrieben hat? Verträge? Handschriftliche Notizen?«
    Sie blickte ihn verstört an. »Nein«, sagte sie langsam.
    »Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir auch auf. Unsere Heiratsurkunde mit seiner Unterschrift, die kann ich Ihnen geben. Aber ansonsten?« Frau Sigrunsdottir schüttelte nachdenklich den Kopf.
    »Können Sie Karel Tsiolkovski beschreiben?«
    Lennart sah, wie ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen, doch sie fasste sich wieder.
    »Er war so groß wie Sie, hatte braunes Haar, blaue Augen, einen Bart. Karel war ganz und gar durchschnittlich.«
    »Was wissen Sie über seine Familie? Hatte er Geschwister?«
    Sie lächelte verlegen und zuckte mit den Schultern.
    »Was ist mit Freunden?«, fragte Elverum, der langsam ungeduldig wurde.
    »Wenn er welche hatte, habe ich sie nie kennengelernt. Wir haben sehr zurückgezogen gelebt.«
    »Was für einer Arbeit ist Ihr Mann denn nachgegangen?«
    »Er arbeitete in einer Druckerei als Schriftsetzer, nicht weit von hier am Arsenalplatz. Hausnummer 6 war es, wenn ich mich nicht irre.«
    »Haben Sie Ihren Mann dort einmal besucht?«
    »Ja. Ich habe ihm mittags immer das Essen vorbeigebracht.«
    Lennart schrieb sich die Adresse auf. Dann klappte er sein Notizbuch wieder zu und steckte es in die Innentasche seiner Jacke. »Ich glaube, das wäre alles. Oder haben Sie noch Fragen, Oberinspektor?«
    »Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?«, fragte Elverum.
    Sie errötete. »Über eine Anzeige, die ich aufgegeben hatte. Wissen Sie, ich habe mein ganzes Leben lang in einer Änderungsschneiderei gearbeitet. Die Männer, denen man dort begegnete, waren entweder ungehobelte Trinker oder bereits vergeben.«
    »Und Karel war anders?«
    Frau Sigrunsdottirs Gesicht leuchtete auf. »Oh ja! Gebildet, belesen. Ich habe mich immer gefragt, was ein Mann wie er von einer Frau wie mir wollte.«
    Lennart hatte einen Verdacht, behielt ihn aber für sich. »Gut«, sagte er. »Wir melden uns bei Ihnen, wenn wir etwas Neues wissen.«
    Den Weg zum Arsenalplatz legten sie zu Fuß zurück. Lennart musste sich nach der Befragung der Frau unbedingt die Beine vertreten. Er hatte das Gefühl, dass sich der Staub dieses Zimmers und die bedrückende Atmosphäre überall in seiner Kleidung festgesetzt hatte. Elverum sprach kein Wort. Er hatte aus der Unterredung wohl dieselben Schlüsse gezogen wie Lennart, wollte aber ebenfalls abwarten, was der Besuch in der Druckerei ergab.
    Keiner der beiden war sonderlich überrascht, als sie feststellten, dass es am Arsenalplatz 6 keine Druckerei gab. Zumindest inzwischen nicht mehr. Das Ladenlokal im Erdgeschoss war mit Brettern vernagelt. Die Plakate, mit denen alles zugeklebt war, waren mehrere Lagen dick. Das Haus stand seit mindestens einem Jahr leer.
    »Genau das habe ich befürchtet«, sagte Elverum, der die Hände in die Seiten gestützt hatte und die Fassade hinaufschaute. »Der geheimnisvolle Karel Tsiolkovski, der in einer erbärmlichen Arbeitersiedlung lebte und maßgeschneiderte Schuhe und Anzüge trug, die ein Vermögen gekostet haben müssen – er

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