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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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schauteer sich um, aber der Junge war im Getümmel der Bahnhofshalle verschwunden.
    Der Rausch des Neuen war mit einem Schlag verklungen und die alte Anspannung ergriff wieder Besitz von ihm. Er erinnerte sich daran, warum er eigentlich hergekommen war. York entdeckte die Reihen der Schließfächer am Ostausgang des Bahnhofs und holte den Schlüssel hervor, um das Fach mit der Nummer 28 zu öffnen. York zog die Schirmmütze tiefer ins Gesicht und schaute sich verstohlen um. Er wusste nicht warum, aber er hatte das beängstigende Gefühl, von mehr als nur einem Paar Augen beobachtet zu werden.
    Mit zitternder Hand drehte er den Schlüssel um und öffnete die Tür. Im Inneren des Fachs befand sich außer einem braunen Umschlag nichts. York wurde nervös. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sich jemand auf ihn zubewegte. Er musste schnell reagieren.
    York schnappte sich das Kuvert und rannte los. Jemand versuchte ihn am Arm zu packen, doch es gelang York, sich loszureißen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie zwei weitere Männer, die zuvor scheinbar in die Lektüre einer Zeitung vertieft waren, aufsprangen und versuchten, ihm den Weg abzuschneiden.
    York schlug einen Haken. Anstatt zum Ausgang zu rennen, hielt er auf die Bahnsteige zu. An einem Imbissstand ließ ein Mann seinen Becher fallen und sprintete auf ihn zu. Er war noch ein ganzes Stück von York entfernt, doch er hatte keine Zweifel, dass seine Verfolger schneller und durchtrainierter als er waren. Sie hatten auf ihn gewartet und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn in die Enge getriebenhatten. In seiner Verzweiflung sprang York auf die Gleise und rannte einem Zug hinterher, der gerade aus dem Bahnhof fuhr. Wenn er Glück hatte, würde er ihn noch erreichen, bevor die Lok zu schnell war.
    York rannte wie noch nie in seinem Leben. Noch immer wagte er es nicht, einen Blick über die Schulter zu werfen, aus Angst, er würde stolpern und stürzen. Der ausfahrende Zug gewann an Tempo, und York war sich voller Schrecken bewusst, dass er ihn nie würde erreichen können, selbst wenn ihm die Angst Flügel verlieh. Trotzdem lief er weiter. Was hatte er auch schon für eine Wahl? Der Weg zurück zur Halle war abgeschnitten. Er musste den Güterbahnhof erreichen, um dort zwischen den abgestellten Waggons die Verfolger mit etwas Glück abzuhängen.
    York blieb mit seinem Fuß an einer Schiene hängen, taumelte, fing sich aber wieder und rannte weiter. Er glaubte, den Atem seiner Häscher im Nacken zu spüren. Verdammt, woher hatten sie geahnt, dass er heute kommen würde, um den Brief zu holen? Oder hatten sie es womöglich gar nicht gewusst? Hatten sie die Schließfächer tage- oder gar wochenlang im Auge behalten, um nicht nur dessen Inhalt sicherzustellen, sondern gleich denjenigen zu verhaften, für den er bestimmt war? Vielleicht wussten sie ja gar nicht, dass er der Sohn von Richter Urban war?
    Plötzlich ließ ihn ein schriller Pfiff zusammenfahren. York riss die Arme hoch, noch bevor er den Zug sah, der auf ihn zufuhr. York wollte beiseitespringen, verdrehte aber dabei sein Knie so unglücklich, dass er wegknickte und stürzte. Ein zweites Mal ertönte der Pfiff, gellend und durchdringend.
    Aus, dachte York. Das war es! Er würde sterben, überrollt und zermalmt von einer tonnenschweren Maschine auf Rädern! Er schloss die Augen in Erwartung des Unvermeidlichen. Sein Schrei ging im schrillen Kreischen der Bremsen unter. Dann war alles still.
    Das Blut rauschte in seinen Ohren, sein Herz schlug wie rasend, doch er spürte keinen Schmerz. Blind tastete er den Boden ab. Unter ihm war kein Schotter, sondern etwas Weiches, Vertrautes. Zögernd öffnete er die Augen und riss sie dann weit auf, als er begriff, wo er sich befand.
    York lag auf seinem Bett.
    Oh mein Gott!, dachte er und setzte sich auf. Es war noch alles an ihm dran. Aber wie war das möglich? Wie hatte er in einem Augenblick auf den Gleisen liegen können und dann plötzlich in seinem Zimmer?
    Er hatte geschlafen und dabei geträumt. Ja, so musste es gewesen sein. York hatte sein Zimmer nicht verlassen, war nicht in den Garten gegangen, hatte nicht den Bus genommen und schon gar nicht das Schließfach geöffnet. Er war angezogen und mit den Schuhen an den Füßen auf seinem Bett eingeschlafen.
    Sein Atem ging immer noch schwer und keuchend. Die Beine waren schwer wie Blei, als sei er wirklich um sein Leben gerannt. York schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte erleichtert

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