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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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kleinen Happen wie dich hat.«
    Typen wie Kerkoff, dachte Tess und begriff endlich. Sie schob peinlich berührt den Rock hoch und schlüpfte schnell in die Hose, die wie angegossen passte.
    »Und?«, fragte die Alte. »Sitzt, nicht wahr?«
    »Wie für mich gemacht«, gab Tess zu.
    Die Frau warf Tess ein zweites Bündel zu. »Das ist ein Fischerhemd. Jeder hier trägt es in Süderborg. Socken sind da vorne in der Kiste. Such dir die passenden aus. Ich besorge in der Zwischenzeit ein Paar Stiefel.«
    Tess warf sich das blaue Hemd über, stopfte es in die Hose und betrachtete sich in einem Spiegel. Unglaublich. Sie griff sich eine der Kappen, die in einer Kiste herumlagen, steckte die Haare hoch und setzte sie sich auf. Nun sah sie in der Tat wie ein Junge aus.
    »Hast du die Mütze gefunden?«, fragte die Alte und warf Tess zielgenau die Stiefel zu.
    Tess musste gegen ihren Willen lachen. »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie blind sind?«
    »Seit über fünfzig Jahren, Kindchen. Aber das ist nicht weiter tragisch. Eigentlich sieht man ja nicht nur mit den Augen, nicht wahr?«
    »Womit denn dann?«
    »Na, mit allen anderen Sinnen, was denkst du denn? Ich habe ein sehr genaues Bild von dir, und wenn ich es aufzeichnen könnte, wärst du wahrscheinlich überrascht, wie treffend es ist. Ich höre dich, ich rieche dich und ich habe alleine durch meine Berührung eine sehr gute Vorstellung von deiner Figur bekommen, selbst durch das Kleid hindurch.« Sie schlurfte wieder zurück zu ihrem Platz hinter der Vitrine und setzte sich ächzend. »Das macht zehn Kronen.«
    Tess, die nicht wusste, ob das jetzt viel oder wenig war, rollte einen der Scheine auf und legte ihn auf die Vitrine. Für einen kurzen Moment berührte sie dabei die Hand der alten Frau – die auf einmal zupackte.
    »He!«, rief Tess. »Was tun Sie da?« Sie versuchte, sich dem Griff zu entwinden.
    Doch die Alte dachte nicht daran, sie loszulassen. Im Gegenteil, sie drückte noch fester zu. Dann gab sie einen undefinierbaren Laut von sich und ließ los.
    »Was sollte das?«, fragte Tess verwirrt und rieb sich das schmerzende Handgelenk.
    Die Frau hatte ihr das Gesicht zugewandt und, bei Gott, Tess konnte schwören, dass sie sie mit ihren verschleierten Augen direkt anschaute.
    »Nichts, Kindchen. Ich wollte nur etwas ausprobieren.«
    »Was sollte das ?«, fragte Tess noch einmal. Ein ungutes Gefühl stieg in ihr auf. Hatte die Alte bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte? »Sie denken auch, ich sei ein Eskatay?«, fragte sie hastig.
    »Woher kennst du diesen Namen?«, fragte die Blinde langsam.
    »Phineas Wooster, der Wirt der Eisernen Jungfrau , hat mich so genannt, weil ich ... «, sie zögerte, doch sie musste dringend mit jemandem darüber reden. »Ich habe einen Mann namens Bruno Kerkoff ins Jenseits befördert.«
    Die Alte machte ein fassungsloses Gesicht. Und dann lachte sie, laut und aus vollem Herzen. »Du hast Bruno Kerkoff getötet? Mein Gott! Kein Wunder, dass sich der alte Phineas in die Hose gemacht hat. Ich vermute mal, es war Notwehr.«
    »Ja«, sagte Tess ein wenig kleinlaut. »Er wollte mir ... na ja ...«
    »Ich kann mir sehr genau vorstellen, was er von dir wollte.
    Du bist die Erste, die es ihm nicht gegeben hat und davon erzählen kann. Alleine das verdient jeden Respekt.«
    »Was ist ein Eskatay?«, fragte Tess noch einmal.
    Die Alte schien sie mit ihren verschleierten Augen förmlich zu durchbohren. Doch dann machte sie eine Handbewegung, als würde sie eine Fliege verscheuchen, und sagte: »Nichts, Kindchen. Hirngespinste, Ammenmärchen. Phineas hat sich vermutlich zu oft von seinem eigenen Fusel eingeschenkt, das hat ihm das Hirn vernebelt. Schluss mit diesem Unsinn, jetzt müssen wir erst mal überlegen, was wir mit dir anstellen.«
    »Was soll ich jetzt tun?«, fragte Tess, die das Gefühl hatte, dass ihr die Alte etwas verheimlichte.
    »Du musst untertauchen, damit dich die Behörden nicht aufspüren. Und du brauchst erst mal eine Arbeit. Die bekommst du aber nur, wenn du die nötigen Papiere hast.«
    Tess erschrak. »Die habe ich nicht.«
    »Dachte ich mir. Dann hast du ein Problem. Papiere bekommst du nur, wenn du eine feste Adresse, eine Wohnung hast. Die bekommst du nicht ohne eine Arbeit.«
    »Die ich natürlich wiederum nicht ohne Papiere bekomme«, ergänzte Tess. »Das ist ein Teufelskreis.«
    »In dem mehr Menschen gefangen sind, als sich manch einer träumen lässt. Aber was die Papiere angeht, werde ich dir vielleicht

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