Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
helfen können. Geh zur Fastingsallee 27, das ist nicht weit von hier, zwei Straßen weiter. Dort ist ein Gemüseladen, der gehört einem Mann namens Morten Henriksson. Sag ihm, Nora schickt dich. Damit er dir glaubt, gib ihm das.« Sie schob Tess ein Buch über den Tresen. Es trug denTitel Flora und Fauna des nördlichen Polarkreises . Es war eine Ausgabe der Universitätsdruckerei, wie Tess erkannte. Es trug auf dem Buchrücken sogar noch die Registraturnummer der Bibliothek.
»Hier ist noch eine Tasche, die gibt es gratis dazu. So, und nun mach dich auf den Weg.«
»Danke«, sagte Tess und streckte ihre Hand aus, die Nora zielsicher ergriff.
»Bedank dich erst, wenn du Erfolg gehabt hast. Also, viel Glück.«
Tess steckte alles ein und machte sich auf den Weg. Das merkwürdige Verhalten der alten Frau ging ihr nicht aus dem Kopf. Tess war sich sicher, dass sie etwas vor ihr zu verbergen versucht hatte. Ganz ohne Zweifel hatte sie gemerkt, dass mit Tess etwas nicht stimmte. Aber wie hatte sie das gemacht? Anders als Phineas Wooster schien sie jedoch keine Angst vor ihr zu haben.
Es brauchte einige Zeit, bis Tess die Fastingsallee fand. Das lag weniger an der Beschreibung, die ihr Nora gegeben hatte, als an ihrem schlechten Orientierungssinn. Doch nachdem sie sich durchgefragt hatte, stand sie endlich vor der Hausnummer 27. Auf dem ganzen Weg war sie von niemandem schief angesehen worden. Noras Rat schien also goldrichtig gewesen zu sein, und nach einer kurzen Zeit hatte Tess sich in der Hose wohlgefühlt, als hätte sie noch nie in ihrem Leben etwas anderes getragen.
Der Laden war voll. Es waren hauptsächlich abgehärmt aussehende Frauen in schäbiger Kleidung. Tess vermutete,dass in dieser Gegend nur selten Fleisch auf den Tisch kam. Im Waisenhaus war das so und wieso sollte es in Loricks Arbeitervierteln anders sein.
Schließlich war Tess an der Reihe.
»Was willst du?«, fragte eine Frau mit grüner Schürze, hochgesteckten Haaren und schmutzigen Händen.
»Ich hätte gerne drei von den Äpfeln dort.«
Die Frau warf das Obst auf die Waage. »Macht eine Krone fünfzig.«
Tess gab ihr zwei Münzen und nahm dafür eine Papiertüte in Empfang. »Ach ja, und dann wollte ich noch zu Herrn Henriksson.«
»Morten? Der ist nicht da.«
»Wann kommt er wieder?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Der Laster ist liegen geblieben und er versucht ihn zu reparieren. Soll ich ihm etwas ausrichten?«
Tess schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme später noch einmal wieder.«
»Wie du willst. Die Nächste!«
Tess drehte sich um und wollte gerade den Laden verlassen, als ein Mann hereinkam. Tess stutzte, und nicht nur, weil er wegen seines Geschlechts völlig fehl am Platze schien. Die Kleidung war vornehm, richtiggehend unpassend für diese Gegend. Über den scharf gebügelten grauen Hosen trug er einen schwarzen Gehrock, das Halstuch zierte eine edelsteinbesetzte Nadel. Er trug er eine Reisetasche, die so schwer war, dass er sie in beiden Händen hielt.
Der Herr lächelte Tess, die ihm die Tür aufgehalten hatte,freundlich an und Tess lächelte zögerlich zurück. »Schönen Tag noch«, sagte er heiter.
Tess nickte und ging weiter, drehte sich aber noch einmal um. Was für ein komischer Vogel. Fast schien es, als hätte er zu dieser frühen Stunde ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Am seltsamsten waren jedoch die Augen gewesen, die seltsam starr geblickt hatten. So als trüge der Mann eine Maske.
Weiter kam sie nicht, denn ein gewaltiger Feuerball schleuderte Holz und Glassplitter auf die Straße. Die Wucht der Detonation, die den kleinen Gemüseladen zerstörte, riss sie zu Boden. Es war nur ein kurzer Moment, dann war alles ruhig. Außer einem lauten Pfeifen im Ohr und den eigenen Atemgeräuschen hörte Tess nichts mehr.
Oh mein Gott, dachte sie. Da waren doch Menschen in dem Haus! Sie versuchte aufzustehen, fiel aber sofort wieder hin. Etwas brannte in ihren Augen. Sie wischte sich mit der Hand über die Stirn. Da erst sah sie das Blut. Es war überall und in diesem Moment glaubte sie tatsächlich, dass es ihr eigenes war. Tess versuchte erneut aufzustehen und diesmal gelang es ihr. Sie schien bis auf eine Wunde am Kopf unverletzt zu sein. Unter Aufbietung aller Kräfte bückte sie sich nach ihrer Tasche und hob sie auf. Absurderweise galt ihre erste Sorge dem Buch, aber das hatte im Gegensatz zu ihr die Explosion unbeschadet überstanden.
Die Explosion!
Ja, richtig. Irgendetwas war
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