Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
Vom Netzwerk:
Begabten tauchten in diesen Erzählungen als Verkörperung des Bösen auf. Sie waren kinderfressende Monster, die nur aus Spaß und einem unkontrollierbaren Allmachtsgefühl heraus den Rest der Menschheit verfolgten, um ihn erst zu versklaven und dann zu vernichten.
    Beklommen stellte York das Buch wieder an seinen Platz. In Sekunden beliebige Entfernungen überwinden ... War er also ein Eskatay?
    Kälte stieg in ihm auf. Wenn diese Geschichten wahr waren und wenn er tatsächlich selber ein Eskatay war, dann war er verflucht. Seine magischen Kräfte würden ihn geradewegs in die Hölle führen. Aber York fühlte sich nicht so. Er hatte kein Interesse daran, seine Gabe gegen andere einzusetzen. Verdammt noch mal, er musste ja erst selber herausfinden, woher sie kamen, wie sie funktionierten und was sie für Folgen hatten.
    Ein heißes Triumphgefühl durchströmte ihn. Alles war möglich. Die ganze Welt stand ihm offen, vorausgesetzt natürlich, er hatte die Orte, an die er sprang, vorher besucht.
    York hielt inne. Was hatte der Richter über ihn gewusst? War er sich bewusst gewesen, dass er sich einen Jungen ins Haus holte, den eines Tages nichts aufhalten konnte, vorausgesetzt natürlich, er wäre weit in der Welt herumgekommen? Hatte sein Adoptivvater ihn deswegen all die Jahre wie einen Gefangenen behandelt? Vielleicht war es Urban ja gar nicht darum gegangen, seinen Sohn zu schützen, sondern die Welt vor einem Ungeheuer zu bewahren?
    So naheliegend der Gedanke auch war, York verwarf ihn sogleich wieder. Wenn der Richter tatsächlich wusste, dass sein Adoptivsohn ein Eskatay war, dann hätte er York nach der Geburt einfach töten können. Es sei denn, er hatte aus einer perversen Neugier heraus ein Interesse daran gehabt, York als lebendes Studienobjekt unter kontrollierten Bedingungen großzuziehen. Nun, wie brennend diese Frage auchsein mochte, York konnte sie dem alten Mann nicht mehr stellen.
    Nach 13 F 11 musste er nicht lange suchen. Es war der Atlas, groß und schwer wie zehn normale Bücher, den Herr Diffring oft in seinem Unterricht verwendet hatte. York musste auf eine kleine Leiter klettern, um das Monstrum aus dem Regal zu ziehen. Er trug es mit beiden Händen zu dem niedrigen Tisch und blätterte es auf der Suche nach Lesezeichen oder eingelegten Notizen durch, obwohl er wusste, dass da nichts war.
    York legte den Zettel mit den Zahlen auf den Tisch und strich ihn mit der Faust glatt.
    N 68172074, O 35534748 las er, wobei nicht klar zu erkennen war, ob vor der zweiten Zahl eine Null stand oder der Buchstabe O. Als York auf den Atlas starrte, runzelte er die Stirn, dann musste er lachen. Der Richter hatte versucht, ihm etwas mitzuteilen. Er wollte es nicht verstecken. Die Zahlen waren Koordinaten, man musste nur Punkte an die richtige Stelle setzen.
    N 68.17.20.74 und O 35.53.47.48, das sah schon viel vertrauter aus. Aber als York die entsprechende Seite des Atlas aufschlug, stutzte er. Wenn es sich tatsächlich um eine Breiten- und Längengradangabe handelte, dann kreuzten sich die Koordinaten mitten im Nichts der Subpolarzone. Morvangar lag gut sechshundert Meilen südlich. Das war die einzige größere Stadt in der Nähe, obwohl: So richtig groß war sie auch nicht. Den kleinen roten Punkt interpretierte die Legende als Siebentausend-Seelengemeinde, die im Sommer vermutlich um das Dreifache anwuchs und immerhin eineeigene Verwaltung hatte. Die Stadt war an das morländische Schienennetz angeschlossen, das von dort aus weiter nach Norden führte, bis die Gleise knapp tausend Meilen weiter in einem kleinen Bergarbeiterkaff namens Horvik endeten. Von diesem Nest aus waren es dreihundert Meilen zum Gipfel des namenlosen Berges, den der Richter markiert hatte. York blinzelte und beugte sich nach vorne. Irgendetwas stand da, ganz klein und krakelig mit der Hand hingekritzelt. Man nahm es nur wahr, wenn man wusste, wo man hinschauen musste. York stand auf und holte aus der Schublade einer kleinen Kommode, in der der Richter immer seine Zigarren aufbewahrt hatte, eine Lupe. Der tröstliche, allzu bekannte Geruch frischer Rauchwaren war noch nicht ganz verflogen. Egmont hatte dieses Fach nicht wieder aufgefüllt. Warum auch. Bereits vor dem gewaltsamen Ableben des Richters hatte er gewusst, dass das nicht nötig sein würde. York schloss die Augen und sog den Duft ein. Es sind Gerüche, die die Erinnerungen heraufbeschwören und am Leben erhalten, dachte er.
    York nahm die Lupe und schob die Lade wieder zu,

Weitere Kostenlose Bücher