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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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seiner Wege ziehen«, sagte er mit näselnder Arroganz.
    »Zieh Leine, du Vogelscheuche«, grunzte der Schnauzbart und griff nach Yorks Arm, um den Jungen hochzureißen. Der Mann im Anzug drehte den Stock um und ließ den silbernen Knauf elegant auf den halb kahlen Schädel des Mannes niedersausen. Der Schnauzbart stieß daraufhin einen überraschten Schrei aus. Der Schlag war nicht heftig ausgeführt worden, dennoch schien er sehr schmerzhaft gewesen zu sein, denn er sprang jetzt mit wutverzerrtem Gesicht sein Gegenüber an, wobei er mit seiner schmutzigen Pranke die Stelle über dem rechten Ohr massierte, an der er getroffen worden war. Bevor er einen sicheren Stand gefunden hatte, sauste der Stock ein zweites Mal nieder, diesmal genau auf die Glatze.
    »Ich möchte Sie doch bitten, den Anstand zu wahren und sich bei dem Burschen zu entschuldigen, den Sie auf so rüpelhafte Weise zu Boden geworfen haben.«
    Doch das tat der ungehobelte Klotz natürlich nicht, sondern holte mit seiner Faust zu einem Schlag aus, der seinen Gegner vermutlich zu Boden geschickt hätte, wenn dieser nicht mit einer leichtfüßigen Bewegung zur Seite gegangen wäre. York starrte auf die beiden Kontrahenten, zwischendenen jetzt ein Kampf entbrannte, ein Kampf zwischen ungebremster Kraft und emotionsloser Technik, roher Gewalt und blasierter Eleganz, rasender Wut und kalkulierter Beherrschung. Es war ein bizarrer Tanz, den die beiden aufführten und den York gerne weiterverfolgt hätte. Aber jetzt, wo die Blicke aller Umstehenden auf dieses ungleiche Paar gerichtet waren, konnte er sich unbemerkt davonschleichen. Als er um die nächste Ecke gebogen war, rannte er und im Laufen stellte er sich sein Zimmer vor. Er blinzelte ...
    Und stürzte ungebremst in seinen Kleiderschrank. Es gab ein hölzernes Krachen. Die Tür wurde eingedrückt, sodass die Seitenteile keinen Halt mehr fanden und auf York fielen, der inmitten eines Kleiderbergs lag. Keuchend holte er Luft. Er wollte sich gerade aufrappeln, als ohne zu klopfen die Tür aufgerissen wurde.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte der hereinstürmende Egmont.
    »Ich habe versucht, etwas von dem Schrank herunterzuholen«, sagte York. »Dabei ist er wohl zusammengebrochen.«
    Egmont zögerte einen Moment, als überprüfte er in Gedanken die Möglichkeit einer anderen Ursache, schloss dann aber stumm und mit einem misstrauischen Blick die Tür. York hörte, wie Egmonts Schritte sich entfernten.
    Erleichtert ließ er sich auf sein Bett fallen und begann zu glucksen. Dieses Glucksen verwandelte sich in ein Kichern und dann in ein lautes, triumphierendes Lachen. Hastig schlug er die Hand vor den Mund, aber da hatte es bereits ein Eigenleben entwickelt.
    Er konnte, angetrieben von seinem Willen und geleitet von der Vorstellungskraft seiner Erinnerung, beinahe augenblicklich an jeden Ort springen, vorausgesetzt, er hatte ihn schon einmal besucht! Wie er das genau machte und welche Gesetzmäßigkeit hinter dieser Fähigkeit steckte, wusste York nicht. Es war wie ein Reflex, den er bewusst herbeiführen konnte. York fühlte sich wie betrunken vor Euphorie. Die Gesetze der Physik schienen nicht mehr für ihn zu gelten. Gleichzeitig mischte sich in dieses Hochgefühl auch eine Spur Angst, denn er ahnte, dass dieser Trick, den er nun immer besser beherrschte, auch sehr gefährlich sein konnte. Aber diese Bedenken schob er beiseite. Diesmal stellte er sich den kleinen Raum im Gärtnerhaus vor, von dem aus er hinaus auf die Straße gelangt war. Er schloss die Augen und roch augenblicklich die abgestandene Luft, die nach Schimmel, alter Blumenerde und feuchtem Holz schmeckte.
    Ein ungekanntes Allmachtsgefühl überflutete ihn. Triumphierend ballte er die Faust. Jetzt schloss er die Augen, um das Bild der Bibliothek heraufzubeschwören. Im letzten Moment bremste er sich jedoch. Wenn sich dieser Verräter Egmont ausgerechnet jetzt dort aufhielt, hätte York wahrscheinlich Schwierigkeiten, ihm sein plötzliches Erscheinen zu erklären. Also entschied er sich anders und sprang wieder zurück in sein Zimmer.
    Auf dem Bett lagen noch immer die Urkunde und der Zettel. Ein plötzliches Schuldgefühl überkam York, als er die Blätter sah. Sie waren leicht zerknickt, das Stück Papier mit den Zahlen sogar an zwei Stellen eingerissen. Immerhin hatte der Richter alles getan, damit sein Adoptivsohn dieseDokumente erhielt, und nun ging York so achtlos mit ihnen um. Er faltete alles sorgfältig zusammen und

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