Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
beiden Töchtern, die nun ganz in Gedanken versunken auf der Wiese saßen und aus Gänseblümchen Kränze flochten. Der Wind spielte mit ihrem zerzausten Haar, während die Sonne das Weiß der Kleider zum Leuchten brachte.
»Sie werden so schnell groß«, sagte Silvetta. »Es kommt mir vor, als seien sie erst gestern auf die Welt gekommen.« Lennart lächelte. »Ich hatte mir immer einen Jungen gewünscht,und als mir der Arzt dann mitteilte, dass ich stolzer Vater zweier Mädchen sei, musste ich mich erst mal setzen. Meine Güte, was war das für ein Schock gewesen.«
»Von dem du dich hoffentlich erholt hast!«, sagte Silvetta mit gespielter Empörung.
»Natürlich. Die beiden sind das Beste, was mir passieren konnte. Die Mädchen und du, ihr seid mein ganzes Glück.« Er spürte, wie er bei diesen Worten rot wurde, und er wollte zur Seite schauen, aber seine Frau hielt ihn fest, um ihm für dieses Geständnis einen langen Kuss zu geben.
»In der letzten Zeit sind zwischen uns einige Dinge nicht so gewesen, wie sie hätten sein sollen«, sagte sie.
»Nein, das waren sie in der Tat nicht«, gab Lennart zu. »Aber das wird sich ändern.«
Silvetta hob die Augenbrauen.
»Wirklich. Das verspreche ich dir«, sagte Lennart. »Ich lasse mich nicht von Magnusson auffressen.« Er hob die Hand zum Schwur und machte ein feierliches Gesicht.
Silvetta schaute ihn ernst an. »Gut«, sagte sie schließlich. »Ich will dir glauben. Aber du hast mich und die Kinder schon so oft enttäuscht. Wenn sich das nicht ändert ...«
»... wirst du mich verlassen«, vollendete Lennart den Satz. Er hatte wieder das seltsame Gefühl, die Situation schon einmal erlebt zu haben. »Ich werde euch nicht enttäuschen.« Er holte aus der Westentasche seine Uhr und ließ den Deckel aufschnappen. Eine glockenhelle Melodie erklang, die augenblicklich erstarb, als er den Verschluss wieder zudrückte. »Und jetzt sollten wir die Sachen zusammenpacken, wenn wir noch rechtzeitig in den Zirkus wollen.«
Obwohl es gegen die Vorschriften war, den Dienstwagen für private Fahrten zu nutzen, hatte sich Lennart dazu entschlossen, sich am heutigen Tag über diese Regel hinwegzusetzen. Die Kinder waren ganz aufgeregt, als sie auf die Rückbank des Wagens krabbelten. Sie hatten ihren Vater immer wieder angebettelt, einmal mitfahren zu dürfen, aber Lennart war immer dagegen gewesen. Ein Automobil war kein Spielzeug, zumindest nicht für jemanden wie ihn, und wenn ihn seine Kollegen gesehen hätten, wie er als Chauffeur seine Prinzessinnen durch die Gegend kutschierte, hätte es einen Heidenärger gegeben. Das war ihm nun egal, denn er hatte das Gefühl, dass ihm weit schlimmere Probleme blühten.
Es hatte für die Vorstellung am späten Nachmittag keinen Vorverkauf gegeben, deswegen waren sie etwas früher losgefahren, um auch ganz sicher noch Karten zu bekommen. Die Fahrt nach Norgeby dauerte gerade einmal eine halbe Stunde. Lennart parkte den Wagen neben dem Spritzenhaus, wo bereits eine Reihe anderer Automobile und Kutschen standen. Einige junge Burschen verdienten sich ein paar Kronen und kümmerten sich um die ausgespannten Pferde.
Der Platz, auf dem das große, rot-weiß gestreifte Zelt stand, war mit Fahnen geschmückt. Irgendwo schmetterte ein Orchestrion einen schmissigen Marsch. Es roch nach gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Grillwürstchen. Die bunt bemalten Wagen, in denen die Artisten lebten, hatten alle schon bessere Zeiten gesehen, aber Maura und Melina nahmen das gar nicht wahr. Sie wollten sich unbedingt in den Trubel stürzen. Lennart gab jedem der Mädchen einige Münzen, dann öffnete er ihnen die Tür. Wie junge Hunde,die man endlich von der Leine ließ, rannten sie übermütig davon. Lennart wollte ihnen noch hinterherrufen, dass sie sich nicht zu weit entfernen sollten, aber dann fiel ihm ein, dass die beiden schon acht Jahre alt waren und sich nicht mehr so leicht verliefen – schon gar nicht in so einem Nest wie Norgeby.
»Das war eine hervorragende Idee von dir hierherzufahren«, sagte Silvetta und hakte sich bei ihrem Mann unter. »Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einen Zirkus besucht habe.« Sie sog die Luft ein. »Aber es riecht immer noch wie früher. Manche Dinge ändern sich wohl nie. Wie sieht es aus? Willst du mich nicht auf eine Erdbeermilch einladen?«
»Du machst keine halben Sachen, nicht wahr?«, sagte Lennart gut gelaunt.
Silvetta lächelte nur selbstzufrieden.
Es war an diesem späten
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