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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Ohnmacht gefallen wäre. Schließlich hatte sich das Problem für ihn auf natürliche Weise erledigt, denn irgendwann war er aus dem Kostüm herausgewachsen. Als Nadja an der Reihe war, das muffige Ding zu tragen, hatte sie es einfach verbrannt. Das hatte ihr zwar einen Heidenärger eingebracht, ihr aber Hakons entwürdigendes Schicksal erspart. Hakon hatte seine Schwester immer für ihren Mut und ihre Kompromisslosigkeit bewundert.
    Hakon schlenderte von einem Stand zum anderen, sammelte achtlos hingeworfenen Müll auf und beobachtete die Leute. Er wollte wissen, ob Swann nicht schon einen seiner Agenten hierhergeschickt hatte, um die Lage zu peilen.
    Mittlerweile fiel es Hakon leicht, in den Gedanken andererMenschen zu lesen. Er brauchte dazu kein emotional aufwühlendes Ereignis mehr. Tatsächlich musste er sogar manchmal das unablässige Gewisper ausblenden, das ohne bewusstes Zutun wie das stetige Tröpfeln eines Wasserhahns in seinen Verstand sickerte.
    Den ganzen Tag hatte sich Hakon überlegt, welchen Trick er heute aufführen würde. Fest stand nur, dass es etwas harmlos Aussehendes sein musste. Etwas, was zumindest auf den ersten Blick nicht so viel Aufsehen erregte wie jene unfreiwillige telepathische Nummer in Vilgrund, die dazu geführt hatte, dass man sie aus der Stadt gejagt hatte.
    Hakon hatte einige kleinere Zauberstücke in petto, die er schon lange nicht mehr aufgeführt hatte, da sie seiner Meinung nach zu durchschaubar waren. Aber für heute mochten sie genau das Richtige sein. Hesekiels Vermutung war richtig gewesen. Die Mehrzahl der Besucher waren Kinder, die wahrscheinlich zum ersten Mal einen Zirkus von innen sahen.
    Als sein Vater unter Applaus die letzte präparierte Eisenstange verbogen hatte, wischte er sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn und ging zu Hakon hinüber. »Wir sollten uns langsam auf die Vorstellung vorbereiten.«
    »Wie spät ist es?«, fragte Hakon.
    Boleslav zog seine Taschenuhr hervor. »Kurz vor vier.« Hakon runzelte die Stirn.
    Sein Vater lächelte aufmunternd. »Du machst dir immer noch Sorgen wegen diesem Swann, nicht wahr? Also, ich habe ihn bis jetzt noch nicht gesehen.«
    »Er wird kommen, glaube es mir.«
    Boleslav zuckte mit den Schultern. »Dann wird es so sein. Wir können nicht vor ihm davonlaufen. Weißt du schon, was du heute aufführen willst?«
    Hakon blies die Backen auf, gab aber ansonsten keine Antwort.
    »Darf ich dir einen Rat geben?«
    Hakon blickte auf.
    »Versteh mich nicht falsch«, druckste sein Vater herum. »Aber vielleicht solltest du dir ein oder zwei neue Nummern erarbeiten. Ich habe den Eindruck, dass du auf der Stelle trittst, und seit der Sache in Vilgrund ...«
    »Ich weiß, was du meinst«, schnitt ihm Hakon scharf das Wort ab. Erschrocken über die Heftigkeit seiner Worte fuhr er sanfter fort. »Ich glaube auch, dass es eine gute Idee wäre.«
    Boleslav blinzelte verstört, brummelte etwas und zog dann ab.
    Mit einem Stöhnen lehnte sich Hakon an einen Zeltmast und schaute hinauf zum Himmel, als könnte ihm irgendetwas dort oben Beistand leisten. Doch da war nichts, was ihm die erschreckende Erkenntnis leichter machte, dass Boleslav Tarkovski Angst vor ihm hatte. Am liebsten wäre er dem Mann, den er sein ganzes Leben lang nur als liebevollen Vater erlebt hatte, hinterhergelaufen, um ihn in die Arme zu nehmen und zu sagen, dass sich nichts zwischen ihnen ändern würde. Aber Hakon machte sich nichts vor. Alles hatte sich geändert. Seine Fähigkeit, anderer Leute Gedanken lesen und sie manipulieren zu können, machte ihn zu einem Außenseiter. Zu einem Monster. Zu einem Eskatay.
    Aber vielleicht hatte sein Vater ja Recht und Hakon trat wirklich auf der Stelle. Und mit einem Mal wusste er, welche Nummer er heute Abend präsentieren würde. So schnell er konnte, eilte er zum Wohnwagen und zog sich um.
     
    ***

Hagen Lennart war froh, die Karten für die Vorstellung so früh besorgt zu haben, denn so hatten sie noch vier Plätze in der ersten Reihe direkt am Rand der Manege ergattern können. Die beiden Mädchen saßen zwischen ihm und Silvetta, hibbelten nervös auf ihren Sitzen herum und aßen ununterbrochen gebrannte Mandeln.
    Der runde Zuschauerraum war in vier Segmente unterteilt, die aus jeweils zwölf nach hinten hin aufsteigenden Bankreihen bestanden. Lennart saß mit seiner Familie genau gegenüber dem Manegeneingang, der von zwei Zirkusdienern in Galauniform flankiert wurde, die lange Trompeten in den Händen

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