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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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»Aber ich glaube, wir sollten keine unnötigen Risiken eingehen, nicht wahr?«
     
    Am Abend saßen sie um ein helles Feuer und wärmten zwei Büchsen Gulasch auf. Doch obwohl sie einen Bärenhunger hatten, aßen sie kaum etwas davon. Irgendwie schmeckte das Fleisch auf einmal schal wie aufgeweichte Pappe.
    »Ich denke, wir sollten etwas Frisches zu uns nehmen«, sagte Henriksson und warf die Konserven im hohen Bogen ins Gebüsch. »Komm, Paul. Wir gehen fischen.«
    Während die beiden Männer im flachen Uferwasser versuchten Forellen zu fangen, hatten sich Hakon und York auf der Suche nach Beeren in den Wald geschlagen.
    »So froh ich bin, endlich diese Todeszone hinter mir gelassen zu haben, so sehr hasse ich diese verdammten Mücken«, sagte York und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Wie geht es dir eigentlich mit deinen Stimmen im Kopf?«
    »Besser«, sagte Hakon. »Sie sind natürlich immer noch da, aber ich kämpfe nicht mehr gegen sie an, sondern versuche sie zu ignorieren. Ich weiß nicht, wie Swann das gemacht hat. Bei all den Menschen, die er förmlich ausgesaugt hat, musste er doch verrückt werden.«
    »War er das denn nicht?«, fragte York.
    »Das war er auf seine Art natürlich schon. Aber irgendwie ist es ihm gelungen, diese Stimmen zu einem Teil seiner selbst zu machen. Andernfalls wäre sein Geist nicht so klar gewesen.« Hakon bückte sich und schob die Zweige einesHeidelbeerstrauches beiseite. Die blauen Beeren hingen dicht an dicht an den kurzen Ästen. Hakon musste nur zugreifen und sie in eine der leeren Konservendosen werfen.
    »Swann und ein klarer Geist? Du machst Witze!«, sagte York, der gerade einen Himbeerstrauch plünderte.
    »Nein, das meine ich ernst. Ich habe ja für einen kurzen Moment in seinen Kopf schauen können und war überrascht, was für Fähigkeiten er in den Jahren als Eskatay entwickelt hatte. Das Potenzial, das er noch hatte, war unglaublich. Was immer es ist, was aus einem normalen Menschen einen magisch begabten Eskatay macht, es setzt eine außerordentliche Entwicklung in Gang.«
    »Und was soll an ihrem Ende stehen?«, fragte York mit vollem Mund. Die ersten Beeren hatte er natürlich nicht gesammelt, sondern aufgegessen. Wenn er so weitermachte, würden sie nicht mal eine Handvoll Beeren zusammenbekommen.
    Hakon richtete sich auf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht die Fähigkeit, die Welt so zu verstehen, wie sie wirklich ist. Wir sehen doch nur einen winzigen Ausschnitt. Was ist mit den Dingen, die so groß oder so klein sind, dass wir sie nicht mit bloßem Auge erkennen können? Woraus sind wir gemacht? Was hält uns zusammen? Wo kommen wir her? Was geschieht mit uns, wenn wir sterben? Vielleicht ...«
    Weiter kam er nicht, denn da sank er schon auf die Knie. Die Büchse mit den Heidelbeeren glitt ihm aus der Hand und fiel zu Boden.
    Das Tier war lautlos aus dem dürren Dickicht getreten und fletschte die Zähne.
    Hinter sich hörte er York flüstern. »Rühr dich nicht von der Stelle.«
    Hakon hätte ihm für diesen sinnlosen Rat am liebsten eine patzige Antwort gegeben, aber dann sah er den Rest des Rudels, ein gutes Dutzend gewaltiger Tiere, aus dem Wald treten.
    Jetzt begann der Wolf vernehmlich zu knurren. Es war ein tiefes Grollen, das den Boden erzittern ließ und Hakon einen kalten Schauer den Rücken hinabjagte.
    Das war der Verfolger. Er hatte sie gefunden. Und sie hatten keine Waffen.
    Der Wolf legte die Ohren an, seine Schnauze kräuselte sich. Die einstmals blauen Augen waren milchig trübe, und dennoch schienen sie Hakon zu durchbohren. Er sah ...
    ... ein blaues Licht. Und es war wie eine Offenbarung, die ihn überkam und seinen Geist erfüllte. Noch vor einer Sekunde war er nichts, jetzt erfüllte ihn die Welt. Er fragte sich, wer er war. Und die Antwort war so klar wie die Luft in den Bergen oder das Wasser im Bachlauf.
    Ich bin ich, dachte er.
    Vorher war ich ein Wesen, das zwar dachte, aber nicht wusste. Das spürte, aber nicht fühlte. Das keine Fragen stellte, weil es keine Fragen gab.
    Er schaute das Gebilde an, das wie eine Blume aussah, aber keine war.
    Ich bin ich.
    Er schaute sich um und versuchte zu verstehen, an welchem Ort er sich befand. Er wusste, dass dies nicht der Wald, nicht die Tundra, nicht die Steppe, nichts Natürliches war. Und er wusste, dass er von hier fort musste, weil sein Rudel auf ihn wartete. Er machte einen Satz, sprang hinaus aus dieser seltsamen, lichtdurchfluteten Grube und befand sich an einem Ort,

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