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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Flussfahrtwar kein Vergleich zu dem Gewaltmarsch, den sie hinter sich hatten.
    Die Fahrt ging zügig voran. Nachdem sie die ersten Schwierigkeiten überwunden hatten, empfand Hakon so etwas wie Vergnügen an dieser Art zu reisen, denn bis zum Abend hatten sie vielleicht sechzig Meilen zurückgelegt.
    York schien es ebenfalls besser zu gehen. Die graue Farbe, die ihn wie eine Leiche hatte aussehen lassen, wich langsam aus seinem Gesicht. Seine Körperhaltung wurde straffer, so als ob sein Körper sich wieder an sein wahres Alter erinnerte. Und auch die vorbeiziehende Landschaft veränderte sich. Das Grün wurde satter, die Vegetation dichter. Erste Vögel kreisten in der Luft, und als sie schließlich ein Reh am Flussufer sahen, war es, als fiele eine zentnerschwere Last von Hakons Schultern.
    Sie hatten es geschafft. Sie hatten den toten Wald hinter sich gelassen.
    York war der Erste, der feststellte, dass seine Begabung wieder zurückkehrte. Als sie das Ufer ansteuerten, sprang er auf die Böschung, um das Seil aufzufangen. Und mit springen war nicht ein einfacher Satz gemeint. York verschwand vom Boot und erschien augenblicklich auf einer Kiesbank und riss die Arme in die Höhe. Es kam so plötzlich, das Henriksson vor Schreck beinahe das Gleichgewicht verlor.
    »Werft das Seil her!«, rief York.
    Henriksson warf das nasse Tauende hinüber und York stemmte sich in den Kies, um das Floß so weit heranzuziehen, dass er es an einem umgestürzten Baum befestigen konnte. Dann sprang er wieder auf das Floß.
    »Es ist schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht«, sagte Henriksson ärgerlich. »Aber wenn du diesen Trick aufführst, ohne uns vorher zu warnen, gehen wir noch alle baden.«
    York war zu gut gelaunt, als dass er eine Entschuldigung für nötig erachtete. Auch Hakon fühlte sich kräftiger, nur hatte sich seine magische Begabung noch nicht wieder gemeldet.
    Er sah Eliasson an, der damit beschäftigt war, das vordere Teil des Floßes so am Ufer zu befestigen, dass es nicht abgetrieben werden konnte. Er sprang ins Wasser und half ihm dabei.
    »Danke, Hakon«, sagte er und ein Lächeln huschte über sein bärtiges Gesicht, das nun wieder lebendiger aussah. »Wie geht es Ihnen?«
    Der Mann nickte nur knapp. Hakon war sich nicht sicher, ob aus Unfreundlichkeit oder weil es ihm peinlich war, über seine Verfassung zu sprechen.
    »Dieses bedrückende Gefühl, dem Leben nicht mehr gewachsen zu sein, ist fort, nicht wahr?«
    Eliasson blickte auf und sah Hakon überrascht an.
    »Nein, meine Gabe ist noch nicht wieder zurückgekehrt«, sagte der Junge lachend. »Und ich würde sie ohne Ihr Einverständnis auch niemals anwenden. Aber ich glaube, niemand musste ein Hellseher sein, um zu erkennen, dass Sie dieser Wald in einen tiefen Abgrund hat schauen lassen. Die Angst, selbst an der Koroba zu erkranken, stand Ihnen allzu deutlich ins Gesicht geschrieben.«
    »Es war ein schrecklicher Ort«, gab Eliasson zu. »Wenn es
    tatsächlich so etwas wie die Hölle gibt, dann weiß ich jetzt, wie sie aussieht.«
    »Ich möchte Ihnen danken. Ohne Sie würden York und ich nicht mehr leben.«
    Eliasson brummte etwas und konzentrierte sich wieder auf den Knoten, mit dem er das Tau befestigen wollte. Aber Hakon war noch nicht fertig. Er legte eine Hand auf den Arm des Mannes.
    »Ohne uns würden Sie wahrscheinlich all dies hier nicht durchmachen müssen. Wir stehen tief in Ihrer und Henrikssons Schuld.«
    »Hakon hat Recht«, sagte York, der sich zu ihnen gesellt hatte. »Ich finde, ein Danke von uns ist längst überfällig. Sie haben doch bestimmt eine Familie, die nicht weiß, was aus Ihnen in den Wirren der letzten Tage geworden ist.«
    Eliasson nickte. »Die habe ich in der Tat. Eine Tochter und zwei Söhne. Das Mädchen ist zehn, die beiden Jungen sechs und vier.«
    »Wenn Sie ihnen eine Nachricht zukommen lassen möchten, kann ich dafür sorgen, dass sie sie in kürzester Zeit erreicht.« York lächelte ein wenig verlegen. »Sie haben ja gesehen, dass meine Gabe wiedergekehrt ist. Das Schwerste haben wir also hinter uns. Lorick liegt sozusagen hinter der nächsten Flussbiegung. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit, damit Sie Ihrer Frau und den Kindern sagen können, dass es Ihnen gut geht.«
    Die Reaktion auf diesen Vorschlag war überraschend und bewegend, denn Eliasson hatte auf einmal Tränen in den Augen, die er unbeholfen mit dem Handrücken fortwischte.
    »Ich danke dir für dieses Angebot«, sagte er mit belegter Stimme.

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