Morland 02 - Die Blume des Bösen
Hakon rollte seinen Schlafsack zusammen und verschnürte die Rolle mit zwei Seilen.
»Es war wunderbar«, sagte York wehmütig. »Ich war kurz davor eines der schönsten Hotels zu betreten, das man sich vorstellen kann.«
Hakon fuhr hoch. »Was sagst du da? Ein Hotel?«
»Ja. Weiß verputzt, mit unzähligen Balkonen. Es war ein Gefühl, als kehrte man nach einer langen Reise endlich heim. Der Portier hielt mir die Tür auf und dann ...«
»Und dann was ?«, fragte Hakon aufgebracht.
»Und dann hast du mich geweckt«, sagte York enttäuscht. »Was ist los mit dir? Du machst ein Gesicht, als wäre ich nicht mehr ganz bei Sinnen.«
»Nein«, sagte Hakon und schüttelte energisch den Kopf. »Du bist nicht verrückt. Aber ich glaube, langsam den Verstand zu verlieren. Wir beide haben denselben Traum gehabt! Nur dass ich in meinem noch nicht einmal in die Nähe des Eingangs gekommen bin.«
York war jetzt hellwach. »Du machst Witze! Davon habe ich noch nie gehört, dass zwei Menschen den gleichen Traum teilen. Stell dir mal vor, wir wären uns dort auch noch begegnet!« Der letzte Satz klang nicht ernst gemeint, woraufhin York einen Knuff an den Oberarm erhielt.
Der Zelteingang wurde beiseitegeschlagen und Henriksson steckte seinen Kopf herein. »Was ist mit euch beiden. Können wir langsam aufbrechen?«
»Ja, wir beeilen uns«, sagte York und kroch hinaus. Hakon starrte ihm hinterher.
Stell dir mal vor, wir wären uns dort begegnet. Was für ein absurder Gedanke.
Aber er sollte ihn nicht mehr loslassen.
Sie erreichten den Fluss am späten Mittag, und wie sich herausstellte, hatten sie in gleich zweierlei Hinsicht Glück: Zum einen war er schiffbar und zum anderen floss er nach Norden, in die Richtung also, in der auch ihr Ziel lag. Als Hakon das Rauschen hörte, konnte er sich nicht mehr bremsen. Er lief an das Ufer, ging in die Knie, schöpfte mit der hohlen Hand Wasser und wollte sie gerade zum Mund führen, als er am Kragen gepackt und hochgerissen wurde.
»Willst du dich umbringen?«, fuhr ihn Henriksson an.
Hakon riss sich wütend los. »Ich werde das Wasser jetzt trinken! Wenn es wie das ganze Land vergiftet ist, werde ich auch nichts daran ändern können! Also lassen Sie mich jetzt in Ruhe!«
Hakon tauchte den Kopf ins Wasser und trank gierig wie ein Tier. York setzte seinen Rucksack ab und taumelte nun ebenfalls zum Ufer, wobei er Henriksson mit einem erschöpften Blick bedachte, der sagte, dass er Hakon zustimmte. Dann tat er es seinem Freund gleich.
Als sie sich satt getrunken hatten, setzten sie sich ächzend unter einen Baum. Henriksson war noch immer bestürzt. Einzig Eliasson schien diese Szene aus irgendeinem Grund zu amüsieren, denn er schmunzelte still in sich hinein.
»Was immer das jetzt für Folgen haben wird«, flüsterte Hakon York zu. »Ich fühle mich besser. Fast schon wieder lebendig.«
»Geht mir genauso«, sagte York keuchend und wrang den Zipfel seines nassen Hemdes aus.
»Gut«, sagte Henriksson. »Wenn ihr euch wieder so gut fühlt, dann können wir ja das Floß bauen, während ihr das Lager errichtet.« Er wickelte das Seil ab und gab Eliasson die Säge, die an seinem Rucksack befestigt war. Dann schulterte er die Axt und verschwand.
»Eigentlich müsste ich froh sein, dass ich meine Gabe verloren habe«, sagte Hakon. »Aber ich würde zu gerne wissen, was sich in den Köpfen der beiden Männer abspielt.«
»Irgendetwas ist zwischen den beiden vorgefallen«, sagte York.
»Hast du gehört, wie sie sich gestritten haben?«
»Nein, das nicht«, sagte York. »Aber ich glaube, dass Eliasson uns misstraut. Wahrscheinlich stellt er sich die Frage, ob er überhaupt sein Leben für uns aufs Spiel setzen soll.«
Hakon schüttelte missbilligend den Kopf. »Welch ein Unsinn! Wenn wir gegen die Eskatay auch nur den Hauch einer Chance haben wollen, müssen wir zusammenhalten!«
»Da stimme ich dir zu. Aber ich glaube, Eliasson macht zwischen den Eskatay und uns keinen Unterschied.« Er machte eine hilflose Geste. »An seiner Stelle würde ich vermutlich genauso denken.«
»Was schlägst du also vor?«, fragte Hakon.
»Ich glaube, wir müssen auf alles vorbereitet sein. Wir dürfen die normalen Menschen nicht ausschließen.« York stutzte. »Warum lachst du?«
»Du müsstest uns einmal zuhören. Normale Menschen! Was waren wir denn noch vor einigen Wochen?«
»Alles befindet sich im Umbruch, und dies ist erst der Anfang«, sagte York. »Nein, wir sind keine normalen
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