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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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der so hoch wie der Himmel war, obwohl man die Sterne nicht sehen konnte. Hier war er hergekommen, daran erinnerte er sich noch. Er lief eine Treppe hinauf zu einer Höhle, die ihn hinaus ins Freie führte, wo der Mond hoch über den eisbedeckten Bergen stand. Alles war scharf und klar. Das Rudel war bei ihm. Es folgte ihm bedingungslos, denn er war ein guter Anführer, stark und mutig. Er kümmerte sich um die Seinen. Er schützte sie. Er trieb sie zur Jagd an.
    Die Jagd. Allein der Gedanke, wie er seine Zähne in die Kehle eines Rehs versenkte, ließ sein Herz schneller schlagen. Er musste aufbrechen. Doch er würde diesen Ort nicht vergessen.
    Hakon gab ein gurgelndes Geräusch von sich und auch der Wolf stellte winselnd die Ohren auf. Aus den Augenwinkeln sah Hakon, wie York einen faustgroßen Stein aufhob.
    »Nein«, stöhnte Hakon. »Tu es nicht!« Erneut zuckte in seinem Kopf ein Blitz auf.
    Es war Winter, die Luft war schneidend kalt, und doch brannte in der Ferne ein Licht. Menschen. Er kannte sie. Er wusste, dass sie keine leichte Beute sein würden. Viele aus seinem Rudel würden vielleicht sterben, aber dennoch würde es heute Nacht ein Fest geben.
    Sie hatten leichtes Spiel. Die Menschen waren nicht achtsam. Erst, als der Erste sein Leben ausgehaucht hatte, spürten diese Wesen, die auf ihren Hinterläufen durch die Welt gingen, die Gefahr, in der sie sich befanden. Er liebte es, wenn die Beute vor Angst schrie und kurz vor dem Ende um ihr Leben winselte. Wenn das warme Blut in sein Maul schoss.
    Donnernde Stöcke wurden auf ihn gerichtet, und er wich immer wieder geschickt aus, bis er mitten in einer Schneehöhle stand. Und er tötete sie alle. Alt und jung. Ihr Blut war überall und es war gut so.
    Am Ende waren sie tot. Alle, bis auf einen. Er kam später und sah das Blut. Hielt sein Junges im Arm. Bat darum, ebenfalls getötet zu werden. Aber er ließ ihn am Leben. Weil es ihm so gefiel.
    Dann explodierte der Kopf des Wolfes. Hakon schrie. Es folgten weitere Schüsse, Hakon zählte sie nicht, obwohl er jedes Mal zusammenfuhr, als würden die Kugeln ihn selbst zerreißen. Am Ende lagen sechs Wolfskadaver in ihrem eigenen Blut.
    Hakons Schädel dröhnte. Hinter sich hörte er, wie jemand durch das Unterholz brach.
    »Hakon!«, schrie Henriksson. York war nicht in der Lage, einen Ton hervorzubringen. Der Schock hatte ihn erstarren lassen.
    »Dem Jungen geht es gut«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Überrascht drehten sie sich um. Ein Mann trat aus dem Schatten eines Baumes. Das Gewehr, mit dem er geschossen hatte, rauchte immer noch. Achtlos warf er das leere Magazin auf den Waldboden.
    »Wer sind Sie ?«, fragte Henriksson.
    »Ein Jäger.« Es klackte, als ein neues Magazin in den Schacht gedrückt wurde.
    Erst langsam kam Hakon wieder zu sich. Der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, war vermutlich schon lange Zeit in den Wäldern unterwegs. Der lange Bart war schmutzig und zerzaust wie das schüttere Haar, das unter einer Mütze hervorschaute, die so kratzig aussah, dass einem schon vom Hinsehen die Kopfhaut juckte.
    Er trug einen dunkelgrünen Anorak, der an manchen Stellen zerrissen und notdürftig geflickt war. Die Beine steckten in grauen Drillichhosen, die Füße in wadenhohen Schnürstiefeln. In der Tat sah der Mann wie ein Jäger aus, doch Hakon war sich nicht so ganz sicher, auf welche Beute er aus war.
    »Wer seid ihr? Was sucht ihr hier?«, fragte der Fremde barsch.
    »Wir waren gerade dabei, unser Abendessen zu sammeln«, sagte York und hob seine leere Dose auf. »Vielleicht möchten Sie uns ja Gesellschaft leisten. Es gibt Fisch.«
    Dem Mann schien die Ironie in Yorks Stimme zu entgehen. Jedenfalls rümpfte er die Nase, dann sicherte er sein Gewehr und schulterte es. »Fisch? Das wäre mal was anderes als immer nur Fleisch. Ich nehme die Einladung gerne an.«
    York schüttelte ungläubig den Kopf. »Danke übrigens dass Sie meinem Freund das Leben gerettet haben.«
    »Keine Ursache«, brummte der Mann. »Hinter dem Tier war ich schon ein halbes Jahr her. Noch nie in meinem Leben habe ich ein gerisseneres Biest als diesen alten blinden Wolf gesehen.«
    Hakon verfolgte die Szenerie wie durch einen Schleier. Die verstörenden Bilder, die er durch die Augen dieses Tieresgesehen hatte, schossen wieder durch seinen Kopf. Er hatte gefühlt, was dieser Wolf gefühlt hatte, als er die Männer, Frauen und Kinder getötet hatte, und ihn überkam ein abgrundtiefer Ekel, denn der Blutrausch hatte

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