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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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sie. »Das Ding ist zu schwer.«
    »Oder du bist zu schwach«, sagte Andre. Seine Stimme war kühl. Tess spürte eine dunkle Aura um ihn, als sei er ein mächtiger Mann, dem man besser ohne Widerspruch folgte. »Wahrscheinlich hast du dich nur wichtiggemacht und deine Fähigkeiten sind doch nicht so beeindruckend.«
    Tess versuchte sich erneut an der Tonne – erfolglos.
    »Du hast mich belogen«, sagte Andre.
    »Nein!«, rief Tess entrüstet. »Glauben Sie mir doch!«
    »Warum sollte ich das tun?«, sagt er abschätzig. »Schade. Im ersten Moment habe ich gedacht, du seist etwas Besonderes.«
    Er drehte sich um und ließ Tess einfach stehen. Wut stieg in ihr hoch. Es musste schon viel geschehen, bevor sie die Fassung verlor, doch jetzt platzte ihr der Kragen.
    »Haben Sie eine Ahnung, was ich durchgemacht habe?«, schrie sie ihn an. »Ich habe meine Freunde verloren, die für mich wie eine Familie waren. Menschen sind gestorben, weil ich im falschen Moment das Falsche tat. Ich weiß nicht, wo ich bin oder wie ich von hier fortkomme. Und Sie behandeln mich auf einmal, als wäre ich eine lästige Warze an Ihrem Hintern!«
    »Spar dir dein Selbstmitleid. Damit beeindruckst du noch nicht einmal Porter.«
    Sie packte die Regentonne und rannte. Plötzlich war die Welt wie in Aspik eingelegt, in dem nur sie sich frei bewegen konnte. Als sie nur noch zwei Schritte von Andre Jesion entfernt war, warf sie das Fass.
    Es gab einen Ruck und die Zeit verging wieder in normaler Geschwindigkeit. Jesion wirbelte herum und lächelte wie ein Wolf, der kurz davor ist, ein Lamm zu reißen. Die Regentonne fror zwei Meter über dem Boden fest, keine Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Das Wasser schwebte, ölig schimmernd heraus, festgehalten von einer unbekannten Kraft, die Tess nach Luft schnappen ließ. Dann ertönte ein dumpfer Knall und die Tonne löste sich in feines, hellbraunes Pulver auf.
    Tess sagte kein Wort. Augen und Mund waren weit aufgerissen, als sie den Haufen Sägemehl auf dem Boden erblickte.
    »Du solltest einmal dein Gesicht sehen«, sagte er und lachte. »Dieser Ausdruck ist unbezahlbar.«
    »Was sollte das?«, fragte Tess. Sie zitterte am ganzen Leib, aber ihr Zorn verebbte schnell und machte grenzenlosem Staunen Platz.
    »Wie war das, als du das erste Mal deine Gabe gespürt hast?«
    Tess hatte auf einmal wieder die Bilder von der Flucht aus dem Kinderheim vor Augen. »Ich verspürte Wut. Die Aufpasser im Waisenhaus hatten einen berechtigten Streik der Kinder brutal niedergeschlagen. Das waren grobschlächtige Kerle, denen es Spaß machte, uns zu quälen. Ich wollte ihnen wehtun und das habe ich dann auch getan.«
    »Wie oft hast du deine Gabe bisher eingesetzt?«
    »Selten.«
    »Aber du hast dich immer in einer Ausnahmesituation befunden, als sie sich zeigte?«, fragte Andre.
    »Ja, das stimmt.« Tatsächlich hatte Tess ihre Fähigkeiten noch nie einfach unter alltäglichen Bedingungen angewandt. Immer war sie oder jemand, der ihr nahestand, in Gefahr gewesen.
    »Du bist stark«, sagte Andre.
    »Ja«, antwortete Tess.
    »Und du kannst die Zeit beeinflussen.«
    »Ja.« Tess klang hilflos. »Ich weiß immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Deine Kräfte werden stärker, wenn du sie regelmäßig einsetzt«, erläuterte Andre. »Es ist wie beim Marathonlaufen. Zu Beginn geht dir schon nach wenigen Metern die Luft aus. Erst wenn du trainierst, kannst du längere Strecken bewältigen. Dir fehlen nur Kraft und Ausdauer.«
    »Sie meinen also, ich soll üben«, sagte Tess. »Aber wie soll ich das tun, wenn ich meine Gabe nicht aus eigener Kraft aktivieren kann?«
    Porter, der von dem Lärm aufgewacht war, hatte die Hundehütte verlassen und trottete zu seinem Herrchen.
    »Das ist in der Tat ein Problem, an dem wir noch arbeiten müssen«, sagte Andre und kraulte seinen Hund am Ohr.
    Tess blies die Wangen auf und stöhnte.
    »Niemand hat gesagt, dass es einfach wird«, sagte Andre. »Aber ich musste testen, was du kannst.«
    »Was ändert das an meiner Lage?«, fragte Tess.
    Andre hielt einen Augenblick lang inne, als müsste er seine Worte sorgfältig wählen. »Womöglich sehr viel. Aber das wird sich erst herausstellen, wenn du lange genug trainiert hast. Jetzt lass uns zu Mittag essen.«
    »Das Tagebuc h …«, wollte Tess einwenden.
    »Das Tagebuch kannst du dann heute Nachmittag weiterlesen.«
    3. Mai 2003
    Ich gebe es zu, ich bin ein Maulheld, zumindest was das Schreiben angeht. Aber vermutlich war das ja

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