Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt

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zeigte dann auf mich, Nora und zwei andere Wissenschaftler. »Sie gehen.«
    Dann wandte er sich an Ruzkoi.
    »Herr Präsident, ich muss Sie bitten, die Einrichtung zu verlassen. Wir können sonst nicht mehr für Ihre Sicherheit garantieren.«
    Ruzkoi wurde blass. Er nickte knapp, war aber sichtlich aufgebracht. Einer seiner Personenschützer sprach in ein Mikrofon, das an der Innenseite seines Handgelenks befestigt war. Dann eilte die Gruppe aus dem Kontrollraum. Über die Monitore der Überwachungskamera konnte ich sehen, wie sie erst den Aufzug nahmen und dann durch die Korridore in die Eingangshalle hasteten, wo sich die Leibwächter rabiat durch die Menge der Journalisten kämpften.
    Wir benutzten einen der kleinen Elektrowagen, um zur ALICE-Einheit zu fahren. Nora saß am Steuer. Keiner sprach ein Wort, aber ich spürte die Angst der beiden Techniker, die hinter mir saßen. Die unterschiedlichsten Szenarien waren denkbar, etwa ein Ausfall des Kühlsystems. Aber nichts hatte uns auf das vorbereitet, was sich in der Spurendriftkammer materialisiert hatte.
    Der Teilchendetektor war ein roter, knapp neunzig Kubikmeter umfassender, gasgefüllter Zylinder, der zweieinhalb Meter im Durchmesser und etwas mehr als fünf Meter Länge maß. Wir wurden bereits von Leonid Koroljow erwartet, dem zuständigen Leiter der Kollektoreinheit, die das Herzstück des Speicherring-Experiments war. Ziel war es, das theoretische Standardmodell der Teilchenphysik durch ein Experiment zu verifizieren, und wir hatten gehofft, in der Kammer das letzte Teilchen einzufangen, das uns in unserem Zoo noch fehlte. Nun, wir hatten tatsächlich etwas eingefangen. Doch noch ahnten wir nicht, was es war.
    »Haben Sie eine Ahnung, womit wir es zu tun haben?«, fragte ich.
    »Wir können nur sagen, was es nicht ist«, sagte Koroljow. »Wir haben kein schwarzes Loch oder Strangelet erzeugt. Das Teilchen zeigt keine Driftspuren wie ein Parton. Außerdem besitzt es eine Masse, die in der Kammer vorher nicht existiert hat.«
    »Dann wurde wahrscheinlich Energie in Materie umgewandelt«, vermutete ich.
    Koroljow zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«
    »Wie groß ist es?« Ich starrte hilflos auf den Monitor und versuchte mir einen Überblick zu verschaffen, doch die Zahlen ergaben keinen Sinn.
    »Es wächst«, sagte Nora überrascht. »Es hat jetzt die Größe eines Makromoleküls. Und es wandert zum Rand!«
    »Entgegen der magnetischen Flussrichtung?«, fragte Koroljow ängstlich. Ich bemerkte, wie seine Hände zitterten.
    Nora hob den Telefonhörer ab und wählte die Nummer des Kontrollraums. Wir hatten keine Mobiltelefone, weil wir befürchteten, dass die Strahlung die Messergebnisse verfälschen könnte. Plötzlich gab es einen leisen Knall, gefolgt von einem hohen Pfeifen.
    »Druckabfall im Teilchendetektor«, rief einer der Techniker.
    Ich hörte noch, wie Koroljow »Raus!« schrie, aber es war zu spät. Etwas explodierte und warf uns zu Boden. Eine Reihe von Kurzschlüssen ließ die Kabel verschmoren, die an den Endkappen der Kammer angebracht waren und die Anode des Detektors mit Energie versorgten. In der Wand der Spurendriftkammer klaffte ein faustgroßes Loch, doch es war an den Rändern nicht ausgefranst, wie man es bei einer Explosion erwarten konnte, sondern hatte die Form eines perfekten Kreises. Etwas schwebte einen Moment über uns und fiel dann zu Boden. Ein Objekt, mit dem ich an diesem Ort am allerwenigsten gerechnet hatte.
    Es war eine Blume.
    Nora sagte etwas, doch ich verstand sie nicht. Ein lautes Pfeifen in meinem Kopf hatte mich und auch alle anderen taub werden lassen. Eine rote Blinkleuchte warnte uns davor, dass etwas schieflief. Wahrscheinlich heulte auch eine Sirene, aber ich konnte sie nicht hören. Meine eigenen Atemgeräusche waren zu laut.
    Einer der Techniker blinzelte benommen und rollte sich vom Rücken auf den Bauch. Doch anstatt zum Ausgang zu kriechen, rutschte er auf die Blume zu. Ich schrie ihn an und wollte nach seinem Bein greifen, um ihn zurückzuziehen, aber da hatte er das Gebilde schon berührt.
    Noch heute schäme ich mich zuzugeben, dass das, was nun geschah, mit Abstand das Faszinierendste war, was ich jemals gesehen habe. Ich war so gebannt, dass ich bei all dem Pfeifen in meinem Kopf nicht auf die Stimme der Vernunft hörte und sofort diesen Raum verließ.
    Die Blume lebte. Und sie drehte sich nun so, dass die schwarzviolette Blüte direkt auf den Techniker gerichtet war. Myriaden heller Punkte