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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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wie einer dieser Neujahrsvorsätze, die, kaum ausgesprochen, schon zum Scheitern verurteilt sind – ähnlich wie das Rauchen aufzugeben, in den nächsten vier Wochen zehn Kilo abzunehmen oder endlich mal die Wohnung zu entrümpeln. Vielleicht sollte ich mir weniger vornehmen, dann würde ich mich selbst zur Abwechslung einmal positiv überraschen.
    Nora.
    Eigentlich müsste ich jetzt einen lauten Seufzer zu Papier bringen. Nora hat alles, was man sich als Mann wünscht, nur dass sie es einem nicht gibt. Nach unserer gemeinsam verbrachten Neujahrsnacht beging ich den klassischsten aller Fehler und fragte sie, ob wir nun zusammen seien. Das kann man ja machen, wenn man sechzehn ist und der Amoklauf körpereigener Hormone das Hirn in die Unzurechnungsfähigkeit treibt, aber nicht mehr in meinem Alter. Natürlich hat sie wie jede normale Frau reagiert, die noch alle fünf Sinne beisammenhat: Sie packte ihre Sachen und ging. Wenigstens besaß ich so viel Reststolz, ihr nicht hinterherzulaufen. Trotzdem geht sie mir nicht aus dem Kopf, zumal wir uns jeden Tag bei der Arbeit sehen. Allendorf hat aus ihr jetzt auch eine Susy gemacht.
    Glücklicherweise hatten wir in den letzten zwei Monaten alle wenig Zeit für unser Privatleben (und deswegen seien mir auch die fehlenden Einträge verziehen). Allendorf hat zwei Tage nach seiner Rede den Termin für den Start des Experiments bekannt gegeben. Morgen Vormittag werden wir sehen, was der Speicherring wirklich hergibt.
    Es ist zwei Uhr nachts. Nora ist nicht bei mir und ich kann nicht schlafen. Im Fernsehen läuft auch nichts Anständiges. Vielleicht sollte ich lesen. Zur Entspannung. Seit Wochen liegt der neue Krimi von Polina Daschkowa auf meinem Nachttisch.
    Ich entschließe mich, etwas Baldrian zu nehmen.
    17. Mai 2003
    Alles hat seinen Sinn verloren. Oder einen neuen bekommen. Wer bin ich schon, das beurteilen zu können. Ich weiß noch, wie Nora sagte, jetzt würden wir erfahren, ob Würth Recht hatte. Das war, kurz bevor Allendorf den Schlüssel umdrehte. Würth hatte nicht Recht, nicht ganz.
    Wir haben kein schwarzes Loch geschaffen. Auch von Strangelets, die in ihrer stabilen Form noch gefährlicher als eine Singularität sind, war keine Spur festzustellen. Aber es ist etwas geschehen, was drei Menschen das Leben gekostet hat. Menschen, die ich kannte, die meine Freunde und Kollegen waren und Familien mit Kindern hinterlassen.
    Der Tag begann ganz so, wie wir alle uns das vorgestellt hatten. Natürlich war der Präsident anwesend. Er sah den Speicherring als eine der vielen wissenschaftlichen Errungenschaften, die im vergangenen Jahrhundert der sowjetischen Mondlandung folgten. Dies war der Geist, der die sowjetische Vorherrschaft in der Welt auch im neuen Jahrtausend sichern würde. Die blumige Sprache der Trotzki-Zeit lebte scheinbar fort. Nora musste lachen, klatschte aber am lautesten, als Präsident Ruzkoi, ganz der Weltrevolutionär, die Faust hob und schnauzbärtig in die Kameras grinste.
    Um Viertel nach neun war zur Erleichterung aller der offizielle Teil beendet. Ruzkoi und sein Gefolge machten es sich im Kontrollzentrum gemütlich, von wo aus sie einen hervorragenden Blick auf die Monitore hatten, die an der Stirnseite des Raumes angebracht waren.
    Wie beim Start einer N1-Rakete der Lunarmission tickte auch hier eine Uhr rückwärts, wobei die letzten zehn Sekunden laut mitgezählt wurden.
    Nora stand auf einmal neben mir. Sie ergriff wie ein Kind den kleinen Finger meiner rechten Hand und sagte leise: »Ja.«
    Ich strahlte sie an. Nach vier Monaten hatte sie endlich die Frage beantwortet, die ich so töricht an jenem Neujahrsmorgen gestellt hatte. Was sie sagte und vor allen Dingen wie sie es sagte, machte mich in diesem Moment zum glücklichsten Menschen der Welt. Paul Allendorf, ganz König in seinem kleinen Reich, drehte bei eins den Schlüssel und drückte bei null den großen roten Knopf. Allgemeiner Jubel ertönte. Ich wollte Nora im Überschwang gerade küssen, als sich in den Applaus Entsetzensschreie mischten.
    »Abschalten! Abschalten!«, rief jemand. Ich glaube, es war Boris Klenov. Dann sah ich den Ausschlag auf der Anzeige der Spurendriftkammer, dem Teilchendetektor der ALICE-Einheit.
    »Was zum Teufel ist das denn?«, hörte ich Allendorf murmeln. Er griff zum Telefon und drückte eine Taste. »Schaltet unter keinen Umständen das Magnetfeld ab! Ich schicke jemanden runter!« Allendorf knallte den Hörer auf die Gabel, schaute sich kurz um und

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