Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier
Stand bringen.«
Er ging zu einem Videorekorder und schob eine Kassette hinein, schaltete das Gerät aber noch nicht an.
»Am 4 . Mai, vor vierzehn Tagen, wurde das Hadronen-Speicherring-Experiment gestartet mit dem Ziel, mehr über die Beschaffenheit unseres Universums zu erfahren. Doch wir bekamen mehr, als wir erwarteten. Im Teilchendetektor materialisierte sich etwas, was einer Blume erstaunlich ähnlich ist.«
Guselka drückte den Knopf einer Fernbedienung und der Bildschirm eines Fernsehers erwachte flimmernd zum Leben.
»Das sind die Aufnahmen, die während des Vorfalls entstanden sind. Wie Sie sehen, entweicht aus der Spurendriftkammer das in ihr komprimierte Gas.« Er zeigte auf einige Dampffontänen, die sich kreisförmig angeordnet an der Seite des Zylinders bildeten. Mein Blick fiel auf die drei Männer, die in wenigen Augenblicken sterben würden. »Das Stück Metall, das regelrecht aus der Wand der Kammer herausgeschnitten wird, fällt allerdings nicht zu Boden, sondern verschwindet. Es löst sich in Luft auf. Stattdessen ist da auf einmal dieses Gebilde.«
Guselka drückte auf die Pausetaste, sodass man den verschwommen Umriss der Blume besser erkennen konnte. Als er sicher war, dass sowohl ich als auch Nora sahen, worum es ihm ging, drückte er wieder die Starttaste.
»Die Blume verhält sich auf einmal sehr merkwürdig. Erst dachten wir, dass sie sich im Gasstrom bewegen würde, doch das war nicht der Fall.«
Jetzt sonderte die Blume den Staub ab.
»Gerasim Romodanow starb zuerst, weil er in die falsche Richtung kroch. Nora Blavatsky erwischte es als Nächste. Doch sie hat überlebt. Wie Sie, Andre Iwanowitsch.«
Die Aufnahme lief weiter. Ich konnte sehen, wie ich unter dem Staub zusammenbrach. Blut lief aus meiner Nase, doch ich achtete nicht darauf. Ich packte Nora am Arm und zerrte sie mit aller Kraft hinter mir her, bis wir die Tür erreichten. Der Alarm hatte sie verschlossen. Das war die korrekte Vorgehensweise bei einem Unfall wie diesem. Nur hatte ich diesen Umstand wohl vergessen, denn ich rüttelte verzweifelt an der Tür, schrie irgendetwas, doch entweder hatte die Aufnahme keine Tonspur oder Guselka hatte die Lautstärke heruntergedreht. »Achten Sie darauf, was jetzt geschieht«, sagte er.
Ich sah, wie ich die Tür mit einem Schraubenschlüssel bearbeitete, der auf Romodanows Werkzeugwagen gelegen war. Dann geschah etwas mit dem Rahmen. Ich musste genau hinsehen. Aber ich verstand es trotzdem nicht.
»Das Metall schlägt Blasen!«, rief ich überrascht.
»Es löst sich auf«, bestätigte Guselka.
»Durch irgendeine Säure?« Ich war vollkommen verwirrt. Schließlich fiel die Tür auf den Korridor. Dort, wo sich die Angeln befunden hatten, sah man nur zwei ausgefranste Löcher im Beton.
»Keine Säure.«
Mittlerweile lagen alle Männer reglos am Boden. Sie waren tot. Die Aufnahme stoppte.
»Wir glauben, dass Sie die Tür geöffnet haben«, erklärte Guselka.
»Womit? Glauben Sie etwa, ich hatte in meiner Tasche eine Flasche mit Molekularsäure?«
»Ich sagte doch: Der Türrahmen wurde nicht durch die Einwirkung von Säure zerstört.«
Ich starrte Guselka fassungslos an. Dann lachte ich laut und, ich glaube, auch ein wenig schrill.
»Erinnern Sie sich an den Vorfall in Ihrem Isolationsraum? Wie Sie durch den Plastikvorhang gegangen sind, als ob er gar nicht existierte?«
»Das ist kompletter Irrsinn«, sagte ich.
»Es wäre kompletter Irrsinn, wenn wir die Möglichkeit außer Betracht ließen, dass die Blume Sie irgendwie verändert hat«, erwiderte Guselka und steckte die Hände in seine Kitteltaschen. Er sah aus, als könnte er jetzt eine Zigarette gebrauchen.
»Haben Sie mich untersucht?«
Guselka nickte. »Wir haben Ihr Innerstes nach außen gekehrt.«
»Und?«
»Ihr Hirnstoffwechsel läuft Amok. Die Zahl der Leukozyten ist gestiegen und Ihr Blutdruck liegt bei zweihundertdreißig zu hundertsiebzig. Eigentlich müssten Sie tot sein. Das wären Sie jetzt auch, wenn wir Sie länger im Magnet-Resonanz-Tomografen gelassen hätten. Kaum hatten wir das Gerät eingeschaltet, gingen Ihre Vitalfunktionen in den Keller.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Nora. Sie war bleich geworden und hielt sich an meinem Arm fest.
»Bis auf einige Unterschiede im Hormonhaushalt, die auf Ihr Geschlecht zurückzuführen sind, könnte man meinen, dass Sie beide dieselbe Krankheit haben. Wenn es eine Krankheit ist.«
Nora fuhr sich mit der Hand über die Stirn und horchte in sich
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