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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Oberschenkeln ab und atmete tief durch. Wenigstens war ihm nicht mehr kalt.
    Glücklicherweise war die oberste Schicht des Permafrostbodens aufgetaut, sodass die Reifen des Lastwagens tiefe Furchen hinterließen. So konnte Hakon kaum die Spur verlieren, zumal in dieser Jahreszeit die Sonne nicht unterging.
    Hundert Schritte laufen, hundert Schritte gehen – zu mehr war Hakon nicht in der Lage. Der Wind pfiff über die flachen Hügel und kräuselte das Wasser auf den Tümpeln und Seen, die das Schmelzwasser gebildet hatte. Seine Lunge schmerzte und er fühlte sich wie ein alter Mann.
    Eigentlich war die Landschaft atemberaubend schön. Das Heidekraut blühte und verwandelte zusammen mit dem Steinbrech die Hügel in ein rosafarbenes Meer. Aber Hakon hatte keinen Sinn für die Natur. Er konzentrierte sich auf die Reifenspuren, die nach einer Meile den Hauptweg verließen und nach Osten führten.
    Es war später Nachmittag, als Hakon Statio n 12 erreichte. Auf den ersten Blick hätte man sie für ein gemütliches kleines Dorf halten können – wäre da nicht der Metallgitterzaun gewesen, der das Gelände vor Ein- und Ausbrüchen sicherte. Hakon legte sich flach auf den Boden und wartete ab. Nichts rührte sich. Niemand hielt sich draußen auf, und das, obwohl die Sonne nun hinter den Wolken hervorgekommen war – in diesen Breiten ein Geschenk, das niemand leichtfertig ausschlug. Er lief zu einem geöffneten Gittertor, das groß genug für einen Lastwagen war und sich quietschend öffnen ließ. Erst jetzt sah er, dass der Zaun an mehreren Stellen eingerissen war. Hakon folgte dem überwucherten Weg zu einem liebevoll gestalteten Dorfplatz. Die Blumen in den bunten Kübeln waren schon lange verdorrt. Auch der farbige Putz an den Häusern blätterte ab. Manche der Fenster waren zerbrochen, zerschlissene Vorhänge wehten im Wind. Was Hakon jedoch am meisten irritierte, war der riesige Spielplatz mit Klettergerüst, Rutsche, Schaukel und Sandkasten. Obwohl der Spielplatz alt war, sah er aus, als sei er noch nie benutzt worden. Hakon trat auf die Veranda eines der Häuser und öffnete vorsichtig die Tür.
    Das Wohnzimmer war freundlich eingerichtet, die Möbel in hellen Farben gehalten. An der Wand über dem Sofa hing das Bild eines dramatischen Sonnenuntergangs. Es gab zwei Sessel, einen flachen Tisch und einen Bücherschrank voller Romane. Liebesschnulzen, wie Hakon mit einem Blick feststellte.
    Die Küche beherbergte einen Gasherd und einen seltsamen, von innen mit Metall ausgeschlagenen Schrank mit zwei Korbschubladen. Einige Teller standen noch darin. Neben der Küchentür befand sich ein Schalter. Hakon betätigte ihn, aber nichts geschah. Vermutlich gehörte er zu der bunten Schirmlampe, die von der Decke baumelte. Einige Geräte, deren Zweck Hakon nicht erraten konnte, waren über ein Kabel mit Öffnungen in der Wand verbunden.
    Neben dem Wohnzimmer befand sich das Schlafzimmer. Das stockfleckige Bett, das dort stand, war breit genug für zwei. Hakon öffnete den Kleiderschrank, in dem aber nur leere Kleiderbügel hingen.
    Das Bad war gefliest, hatte ein großes Waschbecken, eine Dusche und eine Wanne, in der sich der Dreck gesammelt hatte, der durch das gekippte Fenster hereingeweht worden war. Die größte Überraschung aber erwartete Hakon am Ende des Korridors.
    Es war ein Kinderzimmer, hellblau gestrichen und vollgestopft mit Spielzeug, Büchern und Plüschtieren. In der Ecke stand ein Ohrensessel, dessen dunkelroter Bezug zerrissen war. Über dem Kinderbett hing ein Mobile aus kleinen Sternen, die einen Mond umkreisten. Hakon zog eine der Schubladen auf. Sie war mit Babykleidung gefüllt. In diesem Haus musste eine Familie gelebt haben, und zwar nicht schlecht, verglichen mit dem mageren Komfort, den Hakon sonst kannte.
    Hakon schaute sich noch einmal gründlich um, fand aber keine persönlichen Gegenstände. Die Zahnbürsten waren noch verpackt, die Handtücher fein säuberlich zusammengelegt und gestapelt.
    In den anderen Häusern war es nicht anders. Man hatte sie absolut identisch eingerichtet. Sogar die Titel der Bücher, die in den Regalen standen, waren dieselben. Doch was war aus den Bewohnern dieser seltsamen kleinen Siedlung geworden? Hakon erfuhr es, als er hinter den Häusern den Friedhof entdeckte.
    Die Gräber waren bis auf eine Tafel, die an die Toten erinnerte, vollkommen schmucklos. Man hatte ausnahmslos Frauen begraben. Ein Vorname, eine sechsstellige Zahl und das Todesdatum, das war alles.

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