Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier
nach Lorick sind, können noch ganz andere Dinge.«
Gornyak war der Erste, der die Sprache wiederfand.
»Warum?«, fragte er. »Warum stehen die Gist auf unserer Seite?«
Bevor Helga etwas sagen konnte, ergriff Lennart das Wort. »Weil Begarell sie nicht wie die Eskatay kontrollieren kann«, sagte er. »Sie stellen eine Gefahr für ihn dar.«
»Für uns etwa nicht?«, fragte Gornyak. »Wer garantiert uns, dass die Gist nach diesem Krieg nicht die Macht an sich reißen?«
»Wenn wir das wirklich wollten, hätten wir es während der letzten sechstausend Jahre längst getan«, sagte Helga Varnrode.
»Wie viele von euch gibt es?«, fragte Halldor.
Helga legte den Kopf schief und lauschte in sich hinein. »Zweiundneunzig«, sagte sie schließlich. »Die drei Kinder, von denen eines spurlos verschwunden ist, nicht mitgerechnet.«
»Zweiundneunzig?«, fragte Halldor ungläubig.
»Theoretisch. Manche von uns sind noch nicht richtig in der realen Welt angekommen. Im Moment sind zweiundvierzig Gist zum Kampf bereit.«
»Gegen wie viele Eskatay?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Helga müde. »Vierhundert? Fünfhundert? Keine Ahnung. Ihre Zahl wird in den nächsten Stunden ohnehin sprunghaft ansteigen.«
»Wie sieht es in Tyndall aus?«, fragte Gornyak.
»Bis jetzt ist es dort und im Osten ruhig«, sagte Halldor und stand auf, um zur Karte zu gehen. »Alle Einfallstraßen werden überwacht. Wir wissen nur nicht, was sich in der Innenstadt abspielt.«
»Du da – Gist!«, rief Gornyak.
»Ich heiße Helga«, entgegnete sie missmutig.
»Also gut: Helga. Wie viele deiner Kameraden können wir für die Aufklärung einsetzen?«
Sie dachte nach. »Sieben, wenn wir nur die nehmen, die fliegen oder springen können. Elf, wenn wir diejenigen mitrechnen, die in der Lage sind, sich unsichtbar zu machen.«
Gornyak erhob sich nun auch aus seinem Stuhl und stellte sich neben Halldor. »Lorick hat zwei strategisch wichtige Punkte: das Regierungsviertel und die Zentralstation. Bevor wir dort angreifen, müssen wir wissen, wie stark sie gesichert sind.«
Helga Varnrode schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Wird erledigt«, sagte sie schließlich.
»Süderborg ist noch immer in der Hand der Todskollen«, sagte Makarow. »Damit kontrollieren wir den Hafen und die Brücken.«
»Der Hafen wird möglicherweise als Erstes angegriffen.«
»Das glaube ich auch«, sagte Makarow. »Wir müssen versuchen, die Arbeiter auf unsere Seite zu ziehen. Ich vermute, dass die Versorgungslage schlecht ist. Unsere Vorratslager sind gut gefüllt. Wir werden Wasser und Lebensmittel an die Familien verteilen.«
»Übt keinen Druck auf sie aus!«, sagte Gornyak. »Wenn sie uns folgen sollen, müssen sie es aus freien Stücken tun.«
»Was ist mit Egino und seiner Armee der Morgenröte?«, fragte Lennart.
»Für den habe ich eine ganz besondere Aufgabe.« Gornyak tippte auf Moritzburg im Westen, wo die wohlhabenden Fabrikbesitzer wohnten. »Der soll sich da wie ein Fuchs im Hühnerstall austoben. Ich denke, das dürfte ganz nach seinem Geschmack sein: von den Reichen nehmen und den Armen geben.«
»Die Waffenausbildung hat noch gar nicht begonnen«, gab Tallak zu bedenken.
»Dann werden Egino und seine Leute den Umgang mit Gewehr und Pistole im Einsatz lernen«, sagte Gornyak. »In Zeiten wie diesen müssen alle Opfer bringen. Und dieser Egino machte mir nicht den Eindruck, als würde ihn das stören.«
»Wir könnten sie vom westlichen Süderborg mit dem Boot über die Midnar transportieren«, sagte Makarow. »Moritzburg befindet sich am anderen Ufer.«
Gornyak zog seine Uhr aus der Westentasche. »Jetzt ist es vielleicht etwas spät. Die Sonne geht gleich auf. Aber wie wäre es mit dem kommenden Abend?«
»Ich werde alles vorbereiten«, sagte Makarow.
»So«, sagte Gornyak. »Und wir warten erst einmal ab, was unsere neuen Verbündeten aus dem magischen Lager an wichtigen Informationen zusammentragen.«
***
Es war eine unruhige Nacht für Hakon. Die letzten Kinder schliefen ein, als die Ersten schon wieder erwachten. Auch er selbst wälzte sich von einer Seite auf die andere. Es gab keine Matratzen und die Decken waren so dünn, dass er wie alle Gefangenen erbärmlich fror. Außerdem besaß die Baracke keine Fensterläden, sodass die Sonne selbst um Mitternacht durch die trüben Scheiben schien und seine innere Uhr komplett durcheinanderbrachte. Er wusste nicht, wie spät es war, als die Tür plötzlich aufgerissen
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