Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier
mitnehmen.«
»Warum sollte ich das tun?«, sagte Ilja.
»Weil ich für uns alle ein Tor nach Kiruna öffnen werde. Das geht aber nur, wenn ich den Ankerpunkt für den Ausgang vor Ort festlege. Danach wird alles sehr schnell gehen. Hoffe ich.«
1. August 2003
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, minutiös geplant und ohne Fehlertoleranz. Um 16.5 5 Uhr, nachdem von Nora im Garten des Seuchenzentrums das Tor definiert worden war, sprang Ilja mit Nora nach Kiruna, damit sie den Ausgang festlegen konnte. Der ganze Vorgang dauerte genau fünf Minuten. Um Punkt 1 7 Uhr drang ich mit Ilja in die Bank ein und raubte vier Millionen Dollar in Hundert-Dollar-Noten. Das ergab vier handliche, aber verdammt schwere Koffer. Wir sprangen zurück ins Seuchenzentrum. Es war genau 17.1 5 Uhr. In der Devisenbank schrillte wohl inzwischen der Alarm. Ich hatte die Wände dort zurückverwandelt, dennoch ließen sich auf die Schnelle nicht alle Spuren beseitigen. Man würde sehr schnell wissen, dass wir es gewesen waren. Nora setzte sich mit Wassili, Oksana und den anderen Eskatay nach Kiruna ab. Sie nahmen das Geld mit. Das Tor wurde geschlossen. Dann lag alles an Ilja und mir. Um 17.2 0 Uhr drangen wir von hinten in den Sicherheitsbereich ein. Die Wachen schossen, trafen mich aber nicht. Die Kugeln gingen durch mich hindurch. Ilja setzte die Männer außer Gefecht und tötete sie. Ich war fassungslos, schrie ihn an, hätte ihn am liebsten erwürgt, doch wir konnten nicht mehr umkehren. Ich öffnete die Panzerglaskammer, nahm die Plastikbehälter und sprang mit Ilja nach Kiruna.
2. August 2003
Mit dem Tod der Wachen haben wir unsere Unschuld verloren. Wir waren alle sehr niedergeschlagen, mit Ausnahme von Ilja und Oksana. Wir hatten uns in einer leer stehenden Jagdhütte zwanzig Meilen östlich von Kiruna einquartiert. Es war eng und die Stimmung war explosiv.
Nora kochte. »Was hast du dir dabei gedacht?«, fuhr sie Ilja an.
»Sie wollten nicht aus dem Weg gehen, also was sollte ich tun?« Er stieß Oksana von seinem Schoß. »Meine Güte, ihr seid solche moralischen Arschlöcher! Hätte ich ihnen ein Schlaflied singen sollen? Die ganze Nummer lief doch schon! Es gab kein Zurück mehr!« Ilja blickte in die Runde und schnaubte verächtlich. »Ihr armseligen Figuren! In Wirklichkeit seid ihr dankbar und erleichtert. Ihr habt, was ihr wolltet. Das Geld. Die Blumen. Und einen Sündenbock, über den ihr euch entrüsten könnt.« Er spuckte aus, knallte die leere Flasche Bier auf den Tisch und stürmte hinaus. Oksana folgte ihm.
»Was für ein Scheißkerl!«, sagte Nora.
»Weil er die Soldaten gegrillt hat?«, fragte Wassili.
»Nein, weil er Recht hat«, antwortete Nora.
4. August 2003
Hatte die Welt schon bei der Pressekonferenz unsere Gesichter gesehen, so sind wir nun so bekannt wie bunte Hunde. Wir haben nicht nur eine Bank überfallen, sondern uns auch einfach mit unbekanntem Ziel abgesetzt. Manche munkeln, unser Versteck läge irgendwo im brasilianischen Urwald oder sonst wo in Südamerika. Andere sind davon überzeugt, dass unsere Aktion eine gut geplante Vertuschungsaktion der sowjetischen Regierung gewesen sei. Wie auch immer: In Moskau ist die Hölle los. Das Politbüro tobt, der NKWD rotiert und Guselka wird vermutlich bei einer Flasche Wodka über den Lauf der Welt philosophieren. Immerhin hat er alles verloren: uns, die Blumen, seinen Job und, was viel schmerzlicher ist, seine Würde.
Entgegen unseren ersten Überlegungen ziehen wir nicht in die Stadt, sondern noch tiefer in den Wald. Jeder setzt seine Gaben ein, um in möglichst kurzer Zeit eine Unterkunft zu errichten, die etwas komfortabler als die Jagdhütte ist.
6. August 2003
Auch wenn wir die Gesetze der Physik beugen können, ist die Arbeit eine einzige Strapaze. Die Mücken treiben uns in den Wahnsinn. Keiner von uns hat in den letzten beiden Nächten besonders gut geschlafen. Jeder rechnet damit, dass im nächsten Augenblick schwarze Hubschrauber über uns kreisen oder Spezialeinheiten des Innenministeriums aus den Büschen springen.
Wassili, der früher mal Automechaniker war, hat für Nora ein Auto gestohlen, damit sie in Kiruna die wichtigsten Besorgungen machen kann. Sie ist die Einzige von uns, die sich nicht verkleiden muss, damit sie nicht erkannt wird. Wenn sie will, kann sie den Menschen vorgaukeln, sie sei ein rosa Elefant.
7. August 2003
Unser einziger Kontakt zur Zivilisation ist eines dieser kleinen Kofferradios, deren Akku man mit einer
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