Morpheus #2
Wieder ein Freund, wieder ein Betrug, den sie nicht fassen konnte, der wie aus heiterem Himmel kam.
Sie bog rechts ab. Er ließ das Messer locker, als hätte er ihr inneres Ringen mitverfolgt und wüsste jetzt, dass sie aufgegeben hatte. «Es wird schnell gehen», flüsterte er. «So viel kann ich Ihnen versprechen. Nur fürs Protokoll, C. J. ich konnte Sie immer gut leiden.»
Der Wagen vor ihr nahm die Auffahrt zum Expressway und verschwand. Direkt vor ihr erhob sich die Überführung, und sie hatte keine Zeit mehr nachzudenken. Innerlich schrie sie: Tu was! Flieh!
Spring raus! Hol die Cops! Fahr gegen den Baum!
Steig nur nicht in das Auto ein…!
Dann kam ihr der eine ernüchternde Gedanke.
Uberlass nicht ihm, wie alles endet. Diese eine Sache soll er nicht bestimmen. Nein. Sie allein würde den Schritt tun. Sie schloss die Augen, dachte an Dominick und die Zeitung im Bett am Sonntagmorgen. Und dann trat sie aufs Gas.
ACHTUNDACHTZIG
Miststück!
Im Bruchteil einer Sekunde wusste er, was sie vorhatte. Er klammerte sich an die Kopfstütze, als der Wagen einen Satz nach vorne machte, aber das Gesetz der Trägheit schleuderte ihn in den Sitz zurück.
Es gab keinen Laut, bevor der Jeep in den Beton krachte. Keine quietschenden Bremsen, keine heulenden Reifen auf dem Asphalt wie sonst, wenn jemand versuchte, im letzten Moment das Steuer he-rumzureißen. Nur das ohrenbetäubende Bersten und Knirschen und Kreischen von Metall, das wie eine Ziehharmonika zusammengedrückt wurde.
Er spürte, wie er vom Sitz gerissen wurde, gegen das Dach prallte und mit dem Gesicht gegen den Vordersitz schmetterte. Die Airbags explodierten wie hundert Fallschirme, die Fenster splitterten, und kleine Glassteinchen prasselten auf ihn ein.
Und dann kam die ohrenbetäubende Stille. Doch nur für einen Augenblick. Er schüttelte den Kopf, versuchte den Nebel zu zerreißen, der ihn umgab, einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwo hörte er sie leise stöhnen.
Verfluchtes Miststück! In seinem Kopf pochte es, und er sah sich in der Finsternis um. Er berührte sein Gesicht und fühlte Blut. Er betastete die klaf-fende Wunde auf seiner Stirn. Sie war voller winziger Glasscherben.
Das Messer. Es war weg. Er hoffte, er hatte es ihr tief in den Hals gerammt, bevor sie gegen die Wand gerast war. Ihr Stöhnen sprach dagegen.
Das Heulen einer Sirene kam näher, Blaulicht durchflutete das Wageninnere. Er tastete den Fußboden ab, suchte in der Dunkelheit durch das Glas, doch es war nicht da. Dafür fand er seine Marke.
In diesem Moment hielt Dominick Falconetti ihm einen Revolver vors Gesicht und brüllte: «Raus aus dem verdammten Wagen!»
NEUNUNDACHTZIG
Als Dominick den schwarzen Grand Prix des FDLE auf dem Polizeiparkplatz vor dem County Jail entdeckte, zog sich sein Magen zusammen. Er sah genau aus wie sein eigener.
Vielleicht liefert er einen Häftling ab.
Vielleicht führt er ein Verhör.
Vielleicht hat er noch einen Fall vor Gericht, von dem wir nichts wussten.
Dominick suchte noch immer nach möglichen Erklärungen, um die Gewissheit zu zerstreuen, gegen die er sich so sträubte. Eine Gewissheit, die ihn jetzt mit hundert Sachen über den Dolphin Expressway jagen ließ, mit Blaulicht und Sirene. Die ihn das weite Feld der Parkplätze vor dem Gericht und der Staatsanwaltschaft absuchen ließ, auf der Suche nach ihrem Jeep.
Bei ihr zu Hause war erst nach viermal Klingeln der Anrufbeantworter angegangen, was bedeutete, dass sie nicht auf der anderen Leitung telefonierte, sie war noch nicht zu Hause. Es sei denn, sie hatte seine Nummer auf dem Display gesehen. Jedenfalls beantwortete sie weder das Handy noch das Telefon im Büro, und auch auf den Pager reagierte sie nicht. Vielleicht war sie vor Gericht, überlegte er. Im Gerichtssaal waren Handys und Pager nicht erlaubt.
Vielleicht war sie in einer Verhandlung, die sich bis weit in den Abend hineinzog. Vielleicht ließ sie sich zum Essen einladen. Vielleicht wollte sie einfach nicht mit ihm sprechen, nachdem er sie neulich einfach hatte stehen lassen. Doch tief in seinem Innern wusste er, dass all das nicht der Fall war. Er wusste, etwas war faul. Chris Mastersons Wagen bestätigte es ihm.
Und jetzt konnte er sie nicht finden. Verdammt, C. J. wo zum Teufel steckst du?
Er bog in die 14. Straße ein, und plötzlich rauschte das Heck ihres Jeeps an ihm vorbei, als sie rechts auf die 12. Avenue abbog in Richtung Expressway, der sie nach Hause bringen würde. Einen Moment lang
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