Morpheus #2
betrauert werden.
Nicht, wenn die Wahrheit über Officer Bruce ans Licht kam.
Pünktlich wie ein Uhrwerk öffnete Officer Angelillo die Wagentür, trat hinaus in die Nacht und streckte sich. Er nahm eine Zigarette aus dem Päckchen Marlboro Lights und zündete sie sich an. Im Streifenwagen zu rauchen kam nicht in Frage, nicht mit einem Sergeant, der Krebs gehabt hatte und seit-dem Nichtraucher war: Wenn dich der Job nicht umbringt, dann tun’s die Sargnägel mit Sicherheit, betete ihm der Sergeant regelmäßig beim Appell vor.
Der Mann verließ das dichte Gebüsch und trat zu dem Polizisten in die Rauchschwaden. Komisch, die Überraschung auf Officer Bruce’ dicklichem Gesicht, als sein träges Hirn die Schritte endlich als potenzielle Gefahr registrierte. Komisch, denn als Polizist sollte Bruce auf Überraschungen vorbereitet sein. Doch anscheinend brauchte er ein bisschen Nachhilfe, genau wie sein Kollege Chavez.
«Haben Sie Feuer, Officer?», fragte der Mann.
Die Frage erübrigte sich, denn Officer Bruce hatte die Zigarette fallen gelassen. Verzweifelt blickte er sich auf dem verlassenen Parkplatz um. Der Laut, der aus seiner Kehle kam, klang eher wie ein Quie-ken als wie ein Schrei. Erfolglos zerrte er an seinem Holster, in dem die Glock 40 steckte.
Doch es war zu spät. Die gezackte Klinge hatte ihn bereits erwischt, und jetzt schleppte der Mann den schlaffen Körper des Officer mit übermenschli-cher Kraft zurück zum Streifenwagen. Bruce Angelillos letzter Gedanke war, dass sein Sergeant Recht behalten hatte: Das Rauchen hatte ihn umgebracht.
Die Zigarette kullerte über den Asphalt, fort von dem Wagen, und verspritzte glühende Funken, wie Tränen, bevor sie in eine Pfütze rollte und ihr Glim-men erlosch.
FÜNFZEHN
Um fünf begann das Nextel auf dem Nachttisch zu knistern.
«Dom, geh ran. Ich bin’s, Fulton.» Jimmy Fulton war der leitende Special Agent der Violent Crime Squad. Dominicks Truppe. Seine raue Stimme mit dem singenden Südstaaten-Akzent erfüllte das Schlafzimmer. Im Hintergrund plärrten Polizeisirenen.
Dominick war sofort hellwach. C. J. setzte sich langsam neben ihm auf. Draußen goss es in Strömen, der Regen prasselte laut gegen die Scheiben.
Er griff nach dem Nextel. «Fulton. Hier ist Dom.»
Inzwischen war er aus dem Bett, zog sich mit einer Hand die Hose hoch, während er in der anderen das Telefon hielt. Er brauchte nur Fultons Stimme zu hören, um zu wissen, dass er sich gleich auf den Weg machen musste. «Was ist los?»
«Wir haben hier noch einen, Dom.» In seiner zitternden Stimme lag unbändiger Zorn. Und, unver-kennbar, Angst. Fulton war seit achtundzwanzig Jahren beim FDLE, davon neunzehn als Leiter verschiedener Squads – Drogen, Korruption und orga-nisiertes Verbrechen, seit zwei Jahren Gewaltverbrechen. Fulton war ein Veteran, er hatte alles schon gesehen. Und in den fünfzehn Jahren, die Dominick ihn kannte, hatte er noch nie diesen Ton, diese Angst in seiner Stimme gehört. «Noch ein verdammter Cop ist tot», sagte er. «Genau hier, Dom, direkt vor unserer gottverdammten Nase!»
Dominick ließ das Hemd, in das er gerade schlüpfen wollte, sinken. Sein Magen machte sich unangenehm bemerkbar. «Was?»
«Sieht aus, als wäre der gleiche Dreckskerl am Werk, der auch den Jungen vom Beach abgesto-chen hat. Der hier ist von der Miami-Dade. Ziemlich übel zugerichtet, Dom. Echt schlimm. So was hab ich noch nicht gesehen. Nicht bei einem gottverdammten Cop!» Er räusperte sich, und Dominick hörte ihn murmeln: «Mein Gott…»
Noch einer. Noch ein Mann war tot. Holt den Trompeter und die Dudelsackspieler.
«O nein», sagte Dominick und setzte sich aufs Bett. «Wer ist es, Jimmy?»
«Dom, sein verdammtes Gesicht ist nur noch Hackfleisch. Vorläufig gehen wir davon aus, dass es ein gewisser Bruce Angelillo ist. Kennst du ihn?»
Dominick schüttelte den Kopf und dachte nach.
Er suchte nach einem Gesicht. Dann stand er auf und ging durchs Zimmer. «Nein, der Name sagt mir nichts, glaube ich.» Er öffnete die Jalousien einen Spalt und sah aus dem Fenster. Tief unten brodelte der Kanal, in den die Regentropfen wie Geschosse einschlugen. Die Lichter von Pompano Beach auf der anderen Seite waren nur verschwommen zu sehen. Selbst wenn es nicht lang bis Sonnenaufgang war, zweifelte Dominick, dass er sie zu sehen bekäme. Seit drei Tagen hing ein riesiges Wolken-feld über Südflorida und ertränkte Miami in seinen Fluten. Auf den rutschigen Highways hatte es
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