Morpheus #2
bereits zahllose Unfälle gegeben. «Ich bin unterwegs.
Wohin soll ich kommen, Jimmy?»
«Fahr einfach ins Büro», sagte Fulton. «Aber nimm am Turnpike die Ausfahrt 12. Straße.»
«Bist du nicht am Tatort?» Im Hintergrund heulten Sirenen. Immer lauter, immer mehr.
«Doch, das bin ich. Ich stehe auf dem Parkplatz der Dolphin Mall, Dom. Genau gegenüber vom MROC und der Highway Patrol. Er hat es direkt vor unserer gottverdammten Haustür getan.» Er seufzte frustriert, dann fügte er leise hinzu: «Herrje, ein, zwei Kiefern weniger, und ich könnte sehen, ob du mal wieder vergessen hast, das Licht im Büro aus-zumachen, Dom.»
Dominick drehte sich der Magen um. MROC war die Abkürzung für das Miami Regional Operations Center. Das Hauptquartier. Vor ein paar Jahren hatte die Regierung ein Stück Land im Westen von Miami gekauft; dort war im letzten Jahr ein riesiger, hochmoderner Komplex für alle staatlichen Polizeibehörden entstanden. Er beherbergte die neuen Hauptquartiere des FDLE, der Florida Highway Patrol und des Büros für landesweite Strafverfol-gung. Dazu war eine Kommunikationszentrale für alle Funkfrequenzen des Landes errichtet worden, von Palm Beach bis zu den Keys, mit Zwanzig-Meter-Funktürmen und einem eigenem Satelliten-system. Es war eine richtiggehende Festung für Polizisten, Ermittler und Strafverfolger, die hier rund um die Uhr arbeiteten.
Dominick schüttelte den Kopf und versuchte gegen das Schwindelgefühl anzukämpfen. Das MROC
war von einem Kiefernwäldchen umgeben, dahinter begann der Parkplatz der Dolphin Mall. Und dieser Parkplatz war nun ausgerechnet der Tatort, an dem einer von ihnen ermordet worden war.
C. J. saß im Bett – sie war blass und rieb sich mit gesenktem Kopf die Schläfen. Eine Erklärung war überflüssig; dank des Nextel hatte sie alle Einzelheiten aus Fultons Mund hören können. Wie Dominick versuchte sie wieder einmal das Unbegreifliche zu begreifen.
«Alles klar. Ich bin gleich da.» Er legte auf, und bleierne Stille erfüllte den Raum. Nur das Prasseln des Regens war zu hören.
Heute war C. J. an der Reihe. «Soll ich mitkom-men?», fragte sie zögernd.
«Nein. Diesmal soll sich jemand anderes drum kümmern. Du hast letzten Monat schon genug gesehen.»
«Kann sein, dass sie mich trotzdem rufen, weil ich bei Chavez vor Ort war.»
«Warten wir’s ab. Bleib erst mal hier. Ich ruf dich an, sobald ich mehr weiß.»
«Okay», sagte sie leise.
Auf dem Weg aus dem Schlafzimmer blieb er stehen und kehrte er noch einmal um. Er setzte sich auf die Bettkante, zog sie hastig an sich, spürte ihren warmen Atem auf seiner Wange. Er küsste sie in die weiche, vertraute Grube ihres Nackens, der zart nach ihrer Gardeniencreme roch, und vergrub den Kopf in ihrem Haar.
Dann stand er ohne ein weiteres Wort auf und zwängte sich zur Tür hinaus, vorsichtig, ohne die schlafende Lucy zu wecken, die mitten im Weg lag.
SECHZEHN
Dominick reichte ein Blick auf die blutüberström-te, verstümmelte Leiche von Officer Bruce Angelillo auf dem Fahrersitz, um zu wissen, dass es sich um denselben Killer handelte. Oder um einen Trittbrettfahrer, der sowohl ein gutes Auge fürs Detail als auch einen Maulwurf beim MBPD hatte – die meisten der grausigen Einzelheiten von Chavez’ gewalt-samem Tod waren unter Verschluss gehalten worden, um genau so etwas zu verhindern. Die Fenster waren von innen mit geronnenem Blut verschmiert; im Hals des Toten klaffte der tiefe Schnitt wie ein makabres Grinsen, das Markenzeichen eines er-barmungslosen Killers. Mit den Händen klammerte er sich noch an das Steuerrad, an das er mit Handschellen gefesselt war, sein Namensschild war von der Uniform abgerissen, gestohlen, zusammen mit der Marke und dem Dienstausweis. All die Fakten erzählten die gleiche Geschichte. Mit einer Ausnahme. Angelillo hatte seine Zunge behalten. Der Mörder hatte nur ihre Lage manipuliert. Sie steckte in dem Schnitt in seinem Hals.
Die Medien fielen über den Tatort her wie hungrige Wölfe, was die Highway Patrol und das MDPD
dazu zwang, die Ausfahrten auf dem Florida Turnpike und dem Dolphin Expressway zu sperren, ausgerechnet am Montagmorgen mitten im Berufsver-kehr. Hubschrauber von Fernsehsendern schwebten am Himmel, schössen aus allen erdenklichen Perspektiven Fotos von dem Gewimmel der Polizisten in Regencapes am Boden, die Vans der Nach-
richtenmagazine blockierten die Zufahrtsstraßen und richteten ihre fünfzehn Meter hohen Satellitenantennen auf,
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