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Morpheus #2

Morpheus #2

Titel: Morpheus #2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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bestehend aus dem rotieren-den Wappen des Miami Beach Police Department und einem Messer, verschwand schließlich aus den Kopfzeile der Channel-Seven-Nachrichten.
    Armer Victor. Wie wenig Zeit hatte er auf Erden gehabt, und wie wenig hatte er daraus gemacht.
    Nicht einmal eine zweite Chance war ihm vergönnt gewesen. Auf der Beerdigung hatte es von Uniformen gewimmelt, doch Dominick wusste, ihre Anwe-senheit hatte mehr mit Pflichterfüllung als mit echter Zuneigung oder gar Respekt zu tun. Die meisten der fünfhundert Polizisten kannten Victor gar nicht, und die, die ihn kannten, waren taktvoll genug, ihre Meinung über ihn und seinen Tod für sich zu behalten. Der Dudelsackspieler spielte vor voll besetzten Reihen auf, doch Dominick, der mit dem Führungs-stab des FDLE an den Feierlichkeiten teilnahm, hatte das Gefühl, die Kirche wäre leer. Die Tränen von Victors Mutter waren die einzigen, die an diesem Tag vergossen wurden.
    Dominick brachte den jüngsten Ermittlungsbericht, den er fertig geschrieben hatte, ins Sekretariat und legte ihn in den Korb für «Laufende Ermittlungen». Dann machte er sich auf den Weg durch das menschenleere Gebäude zum Ausgang. Er fuhr sich durchs Haar und versuchte die Müdigkeit abzuschütteln, die seine Gedanken wie Spinnweben verschleierte, und hoffte, dass er auf dem Heimweg nicht am Steuer einschlief.
    Bald hätten die Nachtschichten und Sieben-Tage-Wochen ein Ende. Nun, da Baby Jerome von der gesamten Polizei gesucht wurde, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Mord an Victor offiziell aufgeklärt und der Gerechtigkeit Genüge getan war.

VIERZEHN

    Aus seinem Versteck hinter einem kleinen Pal-menhain beobachtete er den Polizisten in seinem Streifenwagen. Officer Bruce Angelillo von der Polizei von Miami-Dade sah müde und gelangweilt aus.
    Immer wieder waren heftige Schauer während der Nacht auf den Wagen heruntergeprasselt, das Wasser floss in dünnen Rinnsalen die Scheiben hinunter. Am Himmel über den nicht allzu fernen Everglades zuckten violette Blitze.
    Der Mann im Gebüsch atmete den Geruch des Regens auf dem Asphalt ein, der Miamis neuestes Mega-Einkaufszentrum umgab. Im Westen, wo die Blitze niedergingen, erhoben sich die unendlichen Schleifen des Florida Turnpike. Dahinter ragten Kiefern in den Himmel und die Wildnis begann. Noch.
    Bis sie auch dort das Sumpfgras mähten, die Alliga-toren verjagten und zu bauen anfingen. Und bauen würden sie: neue Apartments, neue Studios, neue Wohnviertel – «Grundbesitz», wie es in den massiven Marketing-Kampagnen hieß. Auf winzigen Grundstücken würde sich Haus an Haus reihen, eingefriedet durch hohe Mauern mit einem Pfört-nerhaus. Floridas Antwort auf die wachsende Kriminalität.
    Die Planer des Einkaufszentrums hatten schmale Beete mit üppigen tropischen Pflanzen angelegt, um die schwarze Asphaltwüste zu verschönern, die viertausend Parkplätze fassen würde. Zweihundert Meter weiter wurden die Publikumsmagneten der Mall – Bloomingdale’s, Burdines, Dillard’s – von bunten Neonröhren erleuchtet. Doch hier, an der äußersten Ecke des Parkplatzgeländes, war es dunkel, nur der Mond schien durch die Wolkende-cke und warf lange Schatten zwischen den Palmen.
    Von seinem Versteck unter einer dicken Dattelpal-me zwischen zwei riesigen Stauden Elefantenohr beobachtete der Mann, wie Officer Angelillo im dämmrigen Schein der Innenbeleuchtung in den Laptop tippte und sich dann und wann gähnend die Hand vor den Mund hielt.
    Bald war es so weit. Man konnte praktisch die Uhr danach stellen.
    Der Wind hatte aufgefrischt, ein totes Palmblatt kroch braun und welk über den verlassenen Parkplatz. Das schabende Geräusch mischte sich unter das Rauschen und Rascheln der Palmwedel, die im Wind tanzten. Bald würde der Regen mit geballter Kraft wiederkehren.
    Es war drei Wochen her, dass der Mann das letzte Mal mit dem Tod in Berührung gekommen war, seinen Puls warm und klebrig unter den Fingern gefühlt hatte. Gespürt hatte, wie der Lebenssaft eines anderen ihn salbte. Er dachte an Victors fleischige Kehle unter seinen Händen, die Farbe Rot, als das Blut aus ihm auslief, die billigen blauen Sitzbezüge tränkte. Und Victors braune Augen, die ihn, groß und rund, ratlos anflehten, seine letzten Worte ein röchelndes Lallen. Und hier saß Officer Bruce. Noch einer, der seine Marke mit einem korrupten Lächeln trug. Noch einer, der Schande über die blaue Uniform brachte. Seine Existenz würde vielleicht vermisst, doch nicht

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