Morpheus #2
Anbetracht der Krawatte und
einer möglichen Verbindung zu den Kartellen würde ich sagen, er hat was gesehen. Etwas, das er nicht hätte sehen sollen.»
«Und das er jetzt nicht mehr ausplaudern kann.»
C. J. stand plötzlich bei ihnen, den Blick immer noch auf den Wagen geheftet. Ihre Stimme war distanziert und tonlos.
«Wie geht es dir?», fragte Dominick. Er zog seine Windjacke aus und legte sie ihr um die Schultern.
Sie sah ganz durchgefroren aus, obwohl die Nacht mild war. Chris trat sofort verschüchtert einen Schritt zurück, als störe er eine Privatunterhaltung.
Etwas verlegen fing er ein Gespräch mit einem der Spurensicherungsleute an, der gerade begonnen hatte, den Wagen zu fotografieren.
«Was machst du hier?», fragte Dominick, nachdem Chris sie allein gelassen hatte. Sie sah schlecht aus. Er wusste, dass sie nichts mit dem Morpheus-Fall zu tun haben wollte, sie wollte nicht einmal darüber reden, seit sie sich von der Task-Force hatte befreien lassen. «Es ist nicht mehr dein Fall. Wo zum Teufel steckt Maus?», fragte er und sah sich um.
«Ich wurde angepiept», sagte sie leise.
«Was? Von hier? Wer hat dich angepiept?»
«Ich weiß es nicht. Als ich die Nummer anrief, landete ich bei der Mordkommission des MBPD.
Und als ich fragte, wer mich angefunkt hatte, wusste keiner was davon. Der Detective, den ich am Apparat hatte, sagte, alle wären unterwegs, es sei ein Notruf eingegangen, Morpheus habe wieder zugeschlagen.»
«Also muss es jemand von der Mordkommission gewesen sein. Hast du Bereitschaft?»
«Das ist es ja. Diese Woche habe ich keine Bereitschaft. Gail Brill ist dran. Und es war nicht der Pager, der gepiept hat. Ich habe ihn nicht mal dabei.»
Dominick sah sie verständnislos an.
«Anscheinend wollte jemand, dass ich Bescheid weiß», sagte sie erschöpft und fuhr sich durchs Haar. Schließlich riss sie den Blick von dem Wagen los und sah ihm in die Augen. Da wusste er, dass sie nicht einfach nur Angst hatte. Sie war in Panik.
«Dominick», flüsterte sie. «Ich wurde über mein privates Handy angepiept.»
FÜNFUNDDREISSIG
«Das ist interessant – diesmal hat er beim Schnitt durch die Kehle ein anderes Messer benutzt. Die Schneide ist gezackt und hat eine geschwungene Kerbe vor dem Griff. Ich habe das Gefühl, Detectives, diesmal suchen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem Jagdmesser», sagte Dr. Neilson.
Seit Atem ließ die transparente Schutzmaske, die er vor Mund und Nase trug, beschlagen. Seine Nase zuckte und er sah aus, als müsste er niesen. Dann blinzelte er und sah wieder auf den nackten, reglo-sen Körper auf dem Untersuchungstisch, neben dem ein breites Edelstahlbecken angebracht war.
«Extrem scharf und effizient. Ansonsten sehen wir hier, was wir auch bei Officer Chavez sehen konnten», fuhr er lächelnd fort, und seine Nase hörte auf zu zucken. Mit einem Lineal in der Hand beugte er sich tief hinunter, als wollte er in Lou Riberos aufgeschlitzte Kehle hineinkriechen. «Hier», sagte er, ohne aufzublicken, und winkte sie mit blutigen Gummihandschuhen näher. «An dieser Stelle treffen sich die beiden Schnitte. Der erste hat nur die Jugularvene und die Luftröhre durchtrennt. Das Blut in der Lunge weist darauf hin, dass der arme Kerl erstickt ist. Wieder wurden die beiden Schnitte anscheinend ganz bewusst ausgeführt. Der zweite geht glatt von einem Ohr zum anderen, ohne ein Zögern.»
Dominick, Manny und C. J. standen im weiß ge-kachelten Labor der Gerichtsmedizin von Miami-Dade. Aus dem Radio gurrte Britney Spears. Es roch nach frischem Kaffee, Desinfektionsmittel und Tod. C. J. wusste, den Geruch des Todes würde man nie aus diesen Wänden herausbekommen; er saß in den Kühlschränken und in den Gewebepro-ben, die in versiegelten Plastiktüten im Archiv bei Röntgenbildern und Totenscheinen landeten.
Normalerweise musste niemand von der Staatsanwaltschaft der Obduktion beiwohnen, auch nicht, wer Bereitschaft hatte. Das war Aufgabe des leitenden Ermittlers. Doch Morpheus war kein normaler Fall. Leider dauerte es noch vier, fünf Stunden, bis Andy Maus von der Taufe seines Neffen in Tampa zurückkäme. Jerry Tigler hatte sich geweigert, Gail Brill zu schicken, Maus’ Vertretung, und insgeheim war es ihm wahrscheinlich ganz recht, dass jemand C. J. direkt gerufen hatte. Er hatte keinen Einspruch geduldet, es sei denn, sie hätte gleich am Telefon gekündigt, und so war sie am Tatort geblieben und hatte juristische Fragen beantwortet, wenige
Weitere Kostenlose Bücher