Morpheus #2
machst, was dir gesagt wird.»
«Also gut», sagte Rico.
«Und, Rico, wenn die Zeit reif ist, sieh bloß zu, dass du deine Freunde los bist.» Er meinte den Ford Taurus, der an der Ecke Wache hielt. Dann verschwand er in der Menge und ließ Rico an der Theke stehen.
ZWEIUNDDREISSIG
Der Mann verbarg sich im Schatten des grauen Fahrstuhlschachts und versuchte den Gestank nach Pisse, Erbrochenem und schalem Bier zu ignorieren. Drei Stockwerke unter ihm breiteten sich die funkelnden Lichter, Scheinwerfer und Neonrekla-men von South Beach aus. Es war spät und das frei stehende Parkhaus auf der 13. Straße war leer, seit Stunden schon; hauptsächlich parkten hier Leute, die tagsüber die Washington Avenue bevölkerten, einkaufen oder an den Strand gehen wollten. Er hatte dafür gesorgt, dass sich in den vielen dunklen Ecken und Winkeln des Gebäudes keine unwill-kommenen Gäste versteckten, die hier ihren Rausch ausschliefen oder im Stehen einen Quickie schoben, bevor es heimging zu Frau und Kind. Nur ein einzelner Wagen stand mit laufendem Motor auf dem Dach im dritten Stock, während das Kondens-wasser der Klimaanlage in eine ölige Pfütze tropfte.
Die Windschutzscheibe des Wagens blickte nach Osten in Richtung Ocean Drive und Strand, die Fenster waren gegen die Nacht verschlossen; der Fahrer war so in Gedanken, dass er nicht merkte, was hinter dem dunklen Fahrstuhlschacht lauerte, nur ein paar Meter von ihm entfernt.
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Dasselbe Superego, das einem Cop die Tapferkeitsmedail-le einbrachte, war schließlich der Nagel zu seinem Sarg. Es war sein Ego, das ihn zum SWAT-Team trieb und dazu, auf der Suche nach Geiseln blind durch verschlossene Türen zu stürmen. Es war sein Ego, das ihm einflüsterte, dass er unbesiegbar war, auf wundersame Weise gegen die Kugeln und Messer gefeit, ganz egal, auf wie vielen Beerdigungen er schon war. Mich kriegen die Schweine nicht, war das Credo, das einen Cop den Dienst durchstehen ließ, zwanzig Jahre lang. Wegen seines Egos wurde er Detective und Sergeant, und sein Ego führte ihn hierher – in ein verlassenes Parkhaus spät am Samstagabend, um in seinem Wagen den Papierkram zu erledigen, genau so, wie er es immer tat.
Trotzig ignorierte er den dringenden Rat seiner Abteilung und die eigenen Ängste auch. Weil ich mir von so einem Mistkerl doch nicht mein Leben um-krempeln lasse. Ich laufe vor dem Scheißkerl nicht davon. Soll er es doch wagen. Ich bin hier…
Der Mann kam aus dem Treppenhausschatten und atmete den Geruch nach Meer und Sonnen-creme ein, der selbst nachts noch in der Strandluft hing. Selbstsicher ging er auf den Streifenwagen zu, nahm die stumme Herausforderung an.
Jetzt bist du dran, Sergeant, dachte der Killer, als er die Klinge in seiner Jackentasche betastete.
Dann klopfte er sacht ans Fenster und begrüßte den Mann im Innern mit einem Lächeln.
DREIUNDDREISSIG
Nur noch acht Jahre. Acht Jahre und er war frei.
Dann musste er die Nächte nicht mehr mit diesem Mist verbringen. Diesem Mist, den er liebte und den er hasste. Langsam spielte es keine Rolle mehr, und zum ersten Mal in seiner Laufbahn hatte Lou Ribero begonnen, die Minuten zu zählen. Die Minuten, bis er Pause hatte. Die Minuten, bis er zurück aufs Revier musste. Die Minuten, Tage, Wochen, bis der ganze Scheißjob vorbei war. Früher hatte er gedacht, er würde immer weiter arbeiten, vielleicht die Prüfung zum Lieutenant machen, dann die zum Captain. Alles war möglich. Seine Frau wollte nach Mount Dora ziehen und dort hauptberuflich die Anti-quitätenläden leer kaufen, und er hatte gedacht, das wäre vielleicht ein guter Job für den Ruhestand.
Nach zwanzig Jahren beim Miami Beach Police Department bei der Polizei von Mount Dora als Captain einer Sechs-Mann-Truppe anheuern, wo er sich praktisch nur um Falschparker und Scheckbe-trüger kümmern musste. Er wäre immer noch Cop, auch wenn sein Scheck am Monatsende nicht so hoch und die Verbrechen nicht so aufregend waren.
Er wäre immer noch dabei.
Doch jetzt… jetzt war es anders. Alles war anders. Er biss in sein Roastbeef-Sandwich und trank einen Schluck Cola, während er den Cursor in das rechte Kästchen auf dem Laptop bewegte, um einen weiteren ausführlichen Bericht im dämmrigen Licht des Streifenwagens zu tippen. Sein Magenge-schwür brannte ihm ein schwarzes Loch in die Ein-
geweide, und er rieb sich über den Bauch, um den Schmerz zu lindern. Bei dem Stress halfen nicht mal die Pillen
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