Morpheus #2
Meter von dem Streifenwagen entfernt, dessen Blaulicht schweigend vor der Skyline blinkte.
Tigler hatte sie außerdem angewiesen, bei der Obduktion dabei zu sein. Und deshalb war sie hier, so nah am Ausgang wie möglich, die Arme fest um den Leib geschlungen. Teilnahmslos sah sie zu, wie sich die makabre Szene vor ihr abspielte. Sie saß in der Falle, gezwungen, der Obduktion eines Mannes beizuwohnen, dessen Tod – wie sie sich in ihrer Panik einredete – sie höchstwahrscheinlich zu verantworten hatte.
Liebes, hatte Dominick sie zu beruhigen versucht, wahrscheinlich hat jemand im Beach-Dezernat gedacht, du wärst noch in der Task-Force.
Deine Handynummer kann jeder von Nicholsbys oder Dorsetts Schreibtisch bekommen, C. ]. oder von der Zentrale der Staatsanwaltschaft oder deiner Sekretärin, oder er hatte sie schon. Vielleicht ist es ihm jetzt peinlich, dass er morgens um drei die Falsche angepiept hat, und meldet sich deshalb nicht.
Liebling, du darfst keine Gespenster sehen.
Ohne weitere Erklärung musste ihr Verhalten auf jeden paranoid wirken. Und diese weitere Erklärung konnte sie nicht geben. Also beschloss sie, mit ihrem eigenen Wagen zur Gerichtsmedizin zu fahren, doch indem sie das Parkdeck verließ, ohne Dominick die Chance zu geben, den Beschützer zu spielen, leitete sie das nächste Drama ein. Seine bohrenden Fragen und sanften braunen Augen verlang-ten nach Antworten, die sie ihm nicht geben konnte.
Jetzt war er sauer, das wusste sie. Er wich ihr aus, als sie sich oben am Empfang sahen, und nun, während der Autopsie, vermied er jeden Blickkon-takt mit ihr. Aber sie brauchte die Zeit für sich. Sie hatte Angst, in einem schwachen Moment könnte sie sich doch noch hinreißen lassen, ihr Gewissen zu erleichtern – und damit Dominick in das Komplott mit hineinziehen.
Dominick machte sich Notizen, während Neilson um Riberas Leiche herumtänzelte, hier Einschnitte machte, dort Maß nahm und Organe wog und die ganze Zeit aufgeregt vor sich hin murmelte. Ein bleicher Manny wich immer weiter vom Untersuchungstisch zurück und rieb sich noch eine Portion Tigerbalsam unter die Nase. Er zog eine müde Grimasse in C. J.s Richtung, dann rieb er sich über die Schläfen. Im Schwarzlicht leuchtete die Creme grell in den weißen Strähnen seines Schnurrbarts.
«Und die Augen?», fragte Dominick.
«Definitiv prae mortem. Das beweist das Blut.
Wenn die Augäpfel nach seinem Tod entfernt worden wären, dann hätten die Einschnitte minimal ge-blutet. Doch so hat es den Mann wahrscheinlich schlagartig in Schock versetzt.» Neilson hielt nachdenklich inne. «Wenn er Glück hatte.» Dann fuhr er aufgeregt fort. «Sehen Sie sich das an, Detectives!»
Mit einer Hand befühlte er das Innere der leeren Augenhöhle, mit der anderen winkte er die Beamten näher heran. Wieder folgte keiner seiner Aufforde-rung. Joe Neilson legte einen Enthusiasmus für seine Arbeit an den Tag wie wenige seiner Kollegen, und man musste mehr als einmal mit ihm zu tun gehabt haben, um zu verstehen, wann ein Blick aus der Nähe wirklich wichtig war. Manny und Dominick hatten in den letzten zehn Jahren oft genug mit ihm zu tun gehabt. Sie wussten, dass sie diesmal bleiben konnten, wo sie waren. «Die Klinge, die er für die Augen verwendet hat, war glatt – sehen Sie sich nur an, wie er den Sehnerv durchtrennt hat! Was die Breite der Schneide angeht, würde ich sagen, schätzungsweise zweieinhalb bis drei Zentimeter.
Die Länge lässt sich nicht näher bestimmen. Könnte ein Skalpell gewesen sein, aber das glaube ich nicht. Vielleicht ein Schweizer Offiziersmesser.»
«Entschuldigen Sie, Doc», sagte der Mann in dem grünen OP-Anzug, der auf einer Trittleiter über Lou Riberos nackter Leiche stand. Er blickte durch eine Minolta Maxim 3000.
«Achja, okay.» Neilson trat ein Stück zurück, während er das Lineal als Maßstab in die leere Au-
genhöhle hielt. Ein weißer Blitz explodierte über Riberos Gesicht.
«Wir schicken die Fotos an das Kriminallabor des FDLE in Tallahassee. Rieck ist unser Messerexper-te», sagte Dominick.
«In Quantico gibt es auch ein paar Kapazitäten», warf Neilson ein. «Das weiß ich, weil -»
«Das ist unser Fall. Wir schaffen das schon.»
Dominicks Ton drückte aus, dass es keine weitere Diskussion geben würde.
«Na gut», Neilson zuckte die Achseln. Er zog sich die Schutzmaske vom Gesicht und wartete ungeduldig, bis der Mann mit den Fotos fertig war.
Unter dem Untersuchungstisch tappte er
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