Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morpheus #2

Morpheus #2

Titel: Morpheus #2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
Dann, als man ihm den Kopf rasiert und ihn neu eingekleidet hatte, ließ ihm ein Wachmann eine alte Zeitung da – auf der Titelseite ihr fassungsloses Gesicht, C. J.
    Townsend, die von einer Polizeieskorte aus der Praxis seines Psychiaters zum Krankenwagen geführt wurde. In dem Artikel war zu lesen, dass die weltbekannte Cupido-Anklägerin selbst fast das Opfer eines Trittbrettfahrers geworden wäre. Hier in Miami. In der Praxis ihres Psychiaters. Zum Glück hatte sie den Irren in Notwehr töten können, bevor er sie zu seinem ersten Opfer machte.
    Das war zumindest die Version der Zeitung. Und die der Polizei und des Gerichts. Dr. Gregory Chambers war ein kranker Nachahmer, der von seiner Kollegin und Patientin C. J. Townsend be-sessen war. Der echte Cupido, William Rupert Bantling, blieb sicher weggesperrt in der Todeszelle.
    Puh, liebe Mitbürger! Das war mal wieder knapp!
    Bantling wusste es besser. Und diese Schlampe wusste das auch. Er versuchte, den Richter zu ü-berzeugen, als er wegen der anderen zehn Morde vor Gericht stand, die er nicht begangen hatte.
    Doch keiner hörte ihn an, denn er war bereits ein verurteilter Mann. Keiner konnte ihn anhören, dafür hatte sie gesorgt. Chambers war tot, und Tote reden nicht. Was blieb, war die frische Leiche, die man in seinem Kofferraum gefunden hatte, die Indizien und die Herzen der anderen Cupido-Opfer auf seinem Anwesen. All das deutete direkt auf ihn, der für einen Mord ja schon verurteilt war. Und wegen irgendwelcher beschissenen Gesetze spielte es offenbar keine Rolle, dass der gute Doktor der echte Cupido war und ihm alles in die Schuhe geschoben hatte. Chambers hatte all die Morde begangen, nur um mit anzusehen, wie diese Schlampe ihren Vergewaltiger in die Finger bekam und ihm mit aus-gefahrenen Krallen an die Kehle ging. Ihr Schuldspruch – ihr Triumph – aus dem ersten Prozess wurde im zweiten Prozess gegen ihn verwendet und war schließlich der letzte Nagel zu seinem Sarg.
    Inzwischen – dank des jüngsten Sinneswandels von Anwaltsschlampe Nr. 1, der ihn in Form eines zweiseitigen Briefs auf legalesisch hier in seiner Zelle erreichte – wusste Bantling, dass damals mit-nichten Zufall im Spiel gewesen war, als der Polizist sein Blaulicht angeknipst und ihn rausgewunken hatte. Und dank Falconetti wusste er nun überdies, dass es außer dem verstorbenen Doktor noch jemanden gab, der nicht wollte, dass diese Information ans Tageslicht kam. Neben der süßen Chloe Joanna war da noch einer, der ihn, Bantling, für Verbrechen sterben sehen wollte, die er nicht begangen hatte. Und jetzt wusste er auch, warum.
    Es war so leicht. So einfach. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Sehr clever, das musste er zugeben. Das perfekte kleine Telegramm. Eine Warnung vor dem, was ihr bevorstand. Vor dem, was mit Zeugen passierte und mit Lügnern.
    Bantling wusste nur zu gut, wer C. J. Townsends heimlicher Verehrer war. Und sie hatte allen Grund, sich zu fürchten.

SIEBENUNDVIERZIG

    Schon in dem Augenblick, in dem sie Miami verlassen hatte, hatte C. J. gewusst, dass es für sie keinen Ort gab, an den sie flüchten konnte. Trotzdem hatte sie es versucht und war an die vertrauten Strände Kaliforniens zurückgekehrt, wo sie aufge-wachsen war. Sie hatte viertausend Kilometer und zwei Zeitzonen zurückgelegt und sich ein Ferien-apartment am Strand von Santa Monica gemietet, um in der Menge der Fremden unterzutauchen.
    Denn es waren nicht der Trost und die Geborgen-heit ihres Elternhauses und alter Freunde im ruhigen Sacramento, wonach sie sich sehnte – im Gegenteil, sie suchte die Anonymität. Sie brauchte ihren Freiraum, brauchte Zeit, um ohne den perma-nenten Druck, der in Miami auf sie wartete, nachdenken zu können.
    Wieder einmal war ihr alles aus dem Ruder gelaufen. Sie konnte nicht mehr sagen, ob ihre Ur-teilskraft so stark gelitten hatte, dass sie Gespenster sah, wo keine waren. Vielleicht wusste sie einfach zu viel, vielleicht trübte das Schuldbewusstsein ihren Blick. Für andere, die nichts von den Lügen wussten, deuteten die Fakten in eine andere Richtung: Es gab bequeme, plausible Erklärungen, die nichts mit C. J. oder mit William Bantling zu tun hatten. Vielleicht brauchte sie einfach Distanz zum un-gesunden Umfeld der Polizei, wo es zu viel schmutzige Insiderinformationen über Verbrechen und Täter gab und über ein unvollkommenes Rechtssystem, das manipulierbar war und dessen Kontrollme-

    chanismen ausgehebelt werden konnten. Vielleicht gab es

Weitere Kostenlose Bücher