Morpheus #2
Bantling. «Aber ich wette, Sie würden gerne. Sie hat wohl schon den nächsten Verehrer? Und er schickt ihr Geschenke? Was für ein ringsum begehrtes Mädchen.»
«Wem haben Sie den Auftrag gegeben?», schrie Dominick, die Hände flach auf dem Tisch, das wut-verzerrte Gesicht dicht vor Bantlings.
«Sie ist wirklich wunderbar, nicht wahr?», flüsterte Bantling, ohne auch nur mit den blauen Augen zu zwinkern. «Wenn man einmal ihr Gesicht gesehen hat, das früher so vollkommen war, tja, dann kriegt man das nicht mehr aus dem Kopf. Und dann nimmt man sie und… hmmm», Bantling leckte sich die Lippen. «Sie schmeckt gut.»
«Pass auf, was du sagst, Arschloch!», schrie der Bär.
Dominick spürte, wie sein Hass explodierte. Hätte er die Dienstwaffe nicht am Empfang abgegeben, er hätte den Mann erschossen. Seine Faust traf mitten in Bantlings grinsendes Gesicht.
«Dom, halt! Verdammte Scheiße! Was zum Henker machst du da?» Mannys Stuhl fiel nach hinten um, als er aufsprang, um Dominick von hinten weg-zuzerren.
Bantling war hintenüber gefallen und mit dem Gesicht voran zu Boden gegangen. Langsam versuchte er aufzustehen, die Ketten klirrten, Blut quoll ihm aus Mund und Nase. Hastige Schritte waren auf dem Gang zu hören, Riegel wurden zurückgescho-ben und mehrere Wachmänner rannten über den Korridor. Wahrscheinlich hatten sie die Szene über den Monitor verfolgt.
«Du krankes Schwein!», schrie Dominick. Der Bär hielt ihn immer noch fest.
Seelenruhig spuckte Bantling Blut auf den Boden. «War es das, was Sie auf dem Herzen hatten, Agent Falconetti?»
Die Tür ging auf, und Sergeant Plemmel stürmte herein mit fünf Wärtern im Schlepptau. «Was zum Teufel ist hier los?», begann er. «Was haben Sie gemacht?», schrie er Bantling an.
«Das war es doch, oder?», sagte Bantling mit blutigem Lächeln, ohne Plemmel zu beachten.
«Diesen kranken Gedanken werden Sie nicht los, jede verdammte Nacht, nicht wahr? Die Vorstellung, wenn Sie sie vögeln, dass sie dabei immer noch an mein Gesicht denkt. Jede Nacht aufs Neue. Damit kommen Sie einfach nicht klar!»
«Zurück in Block Q mit ihm, verdammt nochmal!», brüllte Plemmel den anderen Wärtern zu.
Bantling wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Er betrachtete das Blut an seiner Hand, und dann blickte er in die Kamera in der Zimmerecke.
Lächelnd sagte er: «Sergeant Dick, ich glaube, meine Nase ist gebrochen. Heben Sie das Videoband auf.»
«Gehen wir, Arschloch!», schrie Plemmel und schob ihn zur Tür hinaus.
«Ich hätte ihn umlegen sollen, verdammt», knurrte Dominick.
«Ganz ruhig, Dom. Beruhig dich, Mann», sagte Manny, der die kräftigen Arme immer noch um seinen Freund geschlungen hatte. «Er ist es doch nicht wert, dass du deinen Job verlierst.»
«Und richten Sie Chloe Grüße von mir aus, Agent Falconetti», rief Bantling noch, während er über den Flur weggeführt wurde. «Sagen Sie ihr, wir sehen uns bald wieder. Sehr bald schon.» Er lachte, als die Stimme über Funk «Frei machen!» schnarr-te. Die Panzertüren öffneten sich summend und schlossen sich hinter ihm mit einem dumpfen Schlag.
SECHSUNDVIERZIG
Bill Bantling konnte nicht anders, er musste lächeln. Teufel, er strahlte übers ganze Gesicht, trotz zerschmetterter Nase und abgebrochenem Zahn.
Und selbst als der nervöse Medizinstudent den Zahnstumpf zog, bevor die Narkose zu wirken begann, lächelte Bill Bantling immer noch.
Dabei hätte er eigentlich wütend sein müssen angesichts der Neuigkeiten, die er heute erfahren hatte. Er sah jetzt nur allzu klar. Man hatte ihm eine Falle gestellt vor drei Jahren, daran hatte er nie ge-zweifelt. Und während sich die Tage seines persönlichen Höllentrips hier zu Monaten und zu Jahren dehnten, hatte er gedacht, alles durchschaut zu haben. Doch anscheinend hatten ihm ein paar Puzzleteile gefehlt.
Jemand hatte ihm die verdammte Leiche in den Kofferraum gelegt, und entweder der Zufall oder noch finsterere Machenschaften hatte die Polizei auf den Plan gerufen an jenem Abend. Den Rest hatte dann die Frau besorgt, die er vor fünfzehn Jahren einfach hätte kaltmachen sollen. Als sie ihn erst einmal in den Klauen hatte, konnte sie die In-stanzen manipulieren – den Richter, die Geschworenen, die Ermittler und schließlich sogar seine di-lettantische Anwältin – und hatte ihn aufs Schafott geschickt. Seitdem zählte er die Tage im Wartezimmer von Dr. Tod.
Zuerst war ihm nicht klar gewesen, wer ihm die Leiche untergeschoben hatte.
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