Morpheus #2
genau diese Reaktion erhofft. «Heute ist Zahltag. Und was Ihren beschissenen Tag angeht, ich setze noch eins drauf. Geben Sie mir Ihre Waffe und steigen Sie ein, Agent Falconetti, denn ich habe einen Haftbefehl für Sie. Sie haben das Recht zu schweigen.
Den Rest kennen Sie ja.»
FÜNFZIG
C. J. saß in ihrem Büro in dem weinroten Sessel mit der hohen Lehne – wo sie nie wieder hatte sitzen wollen – und starrte auf Bantlings Berufungsantrag, der schwarz auf weiß vor ihr lag.
Es war keine Paranoia. Es war keine Überreaktion. Es war nicht ihr Schuldbewusstsein. Das hier war real, eine Tatsache, die vor ihr auf dem Tisch lag. Und vor dem Richter. Und inzwischen vor der ganzen Welt. Es war das, worauf jeder gelangweilte Justizbeamte sein Leben lang wartete. Die Scheidung von Tom Cruise und Nicole Kidman. Der Ehe-vertrag von Carmen Electra und Dennis Rodman.
Die Berufung, weil DIE ANKLÄGERIN DES
GRÖSSTEN MORDPROZESSES IN MIAMIS GE-
SCHICHTE ALLES VERPFUSCHT HAT. C. J.
konnte das Medienspektakel schon riechen, als der Bote die Akte augenzwinkernd auf ihren Schreibtisch fallen ließ. «Passen Sie gut darauf auf. Es ist etwas ganz Besonderes.»
Als Neil Mann den Antrag einreichte, war die Information aus dem Büro der Staatsanwaltschaft wahrscheinlich direkt an die Presse durchgesickert, noch bevor der Eingangsstempel trocken war. C.
J.s Flugzeug hatte noch nicht auf der Landebahn des Miami International Airport aufgesetzt, da ha-gelte es bereits Anrufe der örtlichen Medien, und der Stapel der rosa Telefonnotizen auf ihrem Schreibtisch wuchs in bedrohliche Höhen. Aufgebracht drohte Marisol, sich wegen nervlicher Belas-tung und Sehnenscheidenentzündung krankschrei-
ben zu lassen.
Man musste kein Genie sein, um die Verbindungen zu ziehen, die C. J. vor zwei Tagen am Pazifik-strand verzweifelt als Zufall abzutun versucht hatte.
Beweise im Cupido-Prozess waren getürkt – Beteiligter Polizist von Morpheus ermordet! Die Schlagzeile prangte im Lokalteil des Sun Sentinel über einem Foto von C. J. wie sie vor drei Jahren völlig aufgelöst aus dem Gerichtsgebäude kam. Wahrscheinlich sollte sie froh sein, dass es noch nicht auf der Titelseite stand. Sie warf die komplette Zeitung in den Papierkorb des Kiosks, noch bevor der Verkäufer die fünfzig Cent in die Kasse getippt hatte.
Aus Manns Antrag ging hervor, dass Lourdes wirklich einen Sinneswandel durchgemacht hatte. In einer dreiseitigen eidesstattlichen Versicherung bekannte sie, sie sei «vorsätzlich nicht mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln für die Belange meines Mandanten eingetreten» und habe ihre
«Pflichten als Verteidigerin eines des Mordes Angeklagten ungenügend erfüllt». Weder habe sie «be-stimmte Zeugen im Kreuzverhör sorgfältig genug befragt» noch «gewisse Aussagen und Beweismittel präsentiert, die dazu geführt hätten, Beweisstücke, die gegen meinen Mandanten sprachen, als unzulässig zu entlarven». Tatsächlich habe sie «ab-sichtsvoll entlastendes Beweismaterial vor dem Gericht und vor meinem Mandanten zurückgehalten».
In der Urteilsphase habe sie vor dem Protokoll gelogen, als sie vom Gericht gefragt wurde, ob die Behauptungen ihres Mandanten, die Anklägerin vergewaltigt zu haben, stimmten. Und als krönen-
den Abschluss gab sie an, sie sei im Besitz eines Polizei-Tonbands, das den wahren Grund für die Fahrzeugkontrolle des Jaguar enthalte. Officer Chavez habe über die Umstände der Fahrzeugkontrolle gelogen, die in Wirklichkeit auf einen anonymen Anruf zurückgehe und damit unzulässig gewesen sei. Schließlich behauptete Lourdes noch, C. J.
habe von der Existenz des Tonbandes gewusst und es der Verteidigung nicht als entlastendes Beweismittel zur Verfügung gestellt, womit eine Verletzung der Brady-Bestimmung vorlag.
Es sah nicht gut aus. Das Kind war in den Brunnen gefallen, wie ihr Vater zu sagen pflegte. Und C.
J. konnte nichts zu ihrer Verteidigung sagen, das nicht selbst eine Lüge wäre. Das Ganze war ein Kartenhaus, das auf Falschaussagen aufgebaut worden war. Wie lange dauerte es wohl, bis es in sich zusammenfiel?
Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie fuhr sich durchs Haar, stand dann auf, um die Tür zu öffnen. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war ein weiterer Auftritt von Jerry Tigler, der heute schon dreimal wütend hereingestürmt war.
«C. J.? Boss? Bist du da?» Es war Manny Alvarez. «Wenn ja, lass mich schnell rein, bevor sie mich sieht und den café con
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