Morpheus #2
selben Moment bereute sie ihre Worte.
«Vielen Dank. Das ist ja wunderbar.»
«Können wir reingehen und drinnen weitersprechen?» Sie hatte die Stimme gesenkt und sah sich um.
Er schwieg.
Nach einem Moment fuhr sie fort. «Weshalb bist du bloß da hingefahren, Dominick? Weshalb? Wozu sollte das gut sein?»
«Ich wollte eine Antwort», sagte er leise, be-herrscht, als müsste er sich sehr anstrengen, seine Gefühle zu unterdrücken. «Ich wollte wissen, warum er immer da ist, C. J. in deinem Kopf, egal, was ich tue. Seit ich dich kenne, versuche ich dir zu helfen, dir beizustehen, dich zu lieben, wie ich noch nie eine Frau geliebt habe, versuche, ihn aus deinem Kopf zu vertreiben, verdammt nochmal…»
Ihre Miene verfinsterte sich. «Du bist nicht mein Psychologe, Dominick. Egal, wie gut du es meinst, aber du kannst mich nicht retten. So einfach ist das nicht, und das wird es auch nie sein. Tut mir Leid, wenn ich eine Menge mit mir herumschleppe, aber ich dachte, das wüsstest du.»
Er schüttelte den Kopf und sah zu Boden. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis er sprach. «C. J.
ich liebe dich, daran kann ich anscheinend auch nichts ändern.» Er blickte sie an. Die Gefühle hatten die Oberhand gewonnen, jetzt sah sie den Kummer in seinen Augen, nicht nur den Zorn, und die Tränen, die er zurückzuhalten versuchte. Er ballte die Faust um seinen Haustürschlüssel.
Sie schloss die Augen, doch ihre Wangen waren bereits feucht. Wie sehr sie wünschte, sie hätte ihn zu einem anderen Zeitpunkt ihres Lebens kennen gelernt. «Ich bin deinetwegen zurückgekommen, Dominick», sagte sie, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Sie wollte ihn umarmen, doch er wich zurück, ab-wehrend hielt er die Hände hoch. Der zornige Ausdruck war in sein Gesicht zurückgekehrt.
«Nein, nein, nein… Die Lorbeeren gehen nicht an mich. Du bist seinetwegen zurückgekommen, C. J.
nicht meinetwegen. Nur seinetwegen.»
«Sag das nicht, Dominick. Sag das nicht.»
«Und genau das ist es, was ich nicht begreife.
Ich kapiere es einfach nicht. Was ist da zwischen ihm und dir?»
«Darauf muss ich nicht antworten», sagte sie kopfschüttelnd und biss die Zähne zusammen.
«Warum bist du zurückgekommen, C. J. warum kommst du zurück zu einem Mann, den du hasst, aber nicht zu dem Mann, den du angeblich liebst?
Den Mann, den du heiraten wolltest?»
Sie ignorierte seine Frage. «Hör zu. Ich bin hier, um zu tun, was getan werden muss. Mehr sage ich dazu nicht. Was du mit der Faust versucht hast, muss ich mit legalen Mitteln in einem Gerichtssaal zu Ende bringen, und zwar ein für alle Mal. Und nur ich bin dazu in der Lage. Verstehst du? Ich allein.
Glaubst du, ich will mit ihm in einem Raum sein?
Glaubst du, ich will, dass er in meinem Kopf ist?»
«Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll», sagte er tonlos. Er hatte sich wieder im Griff.
Sie wartete, was wie eine Ewigkeit schien, doch er sagte nichts mehr. «Ich liebe dich, Dominick. Gott weiß, dass das wahr ist. Ob du mir glaubst oder nicht, liegt bei dir. Ich weiß, dass es wahr ist. Und ich bin für dich da, so gut ich kann. Wenn du es willst.»
Er sah sie nicht an, und so drehte sie sich schließlich um und ging in Richtung Fahrstuhl. Im Vorbeigehen berührte sie leicht seine reglose Hand.
Dann, auf halbem Weg, wandte sie sich noch einmal um. «Ich bin weggegangen, weil ich versucht habe, dich zu retten, Dom. Das ist die Sache, die du nicht verstehen willst. Ich kann dich nicht in diesen Abgrund mitreißen, weil er dunkel ist und bodenlos und ohne Ausweg. Und wenn ich den Rest meines Lebens mit diesem Albtraum allein sein muss – bitte schön. Aber ich kann mich von ihm nicht wieder in den Wahnsinn treiben lassen. Nicht noch einmal.
Lieber sterbe ich.»
Dann bog sie um die Ecke und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr war kalt, furchtbar kalt. Als der Fahrstuhl klingelte und seine Schritte immer noch nicht zu hören waren, wusste sie, dass es vorbei war.
Mit zitternden Knien trat sie in den leeren Aufzug und drückte auf Parterre. Als sich die Türen schlossen, sackte sie in der Ecke zusammen und begann haltlos zu weinen.
DREIUNDFÜNFZIG
Eine Woche lang schlug C. J. ihr Lager in der Rechtsbibliothek auf dem Campus der NSU in Da-vie auf. Sie trug Jogginghosen, eine Baseballkappe der Phillies, Pferdeschwanz und Brille in der Hoffnung, ihr abgespanntes Äußeres würde in der Menge der
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