Morpheus #2
landen, bei ungefähr vierhundertfünfzig zu eins gelegen. Hatten zumindest Bills Mithäftlinge und die lahmarschigen Wachen, die in seinem Block Dienst schoben, gesagt. Andere Insassen hier hatten es fünf-, fünfzehn-, dreißigmal vor dem Landesgericht mit der Dreierbestimmung probiert, genauso viele Anträge nach Paragraph A 2254 vor dem Bundesgericht gestellt und unzählige öffentliche Beschwerden eingereicht, darunter falsche Habeas-Corpus-Anträge, Certio-rari-Petitionen und ein Dutzend anderer Geschichten mit zungenbrecherischen lateinischen Namen. Natürlich hatte sein Anwalt ihm versprochen, dass Bills Chancen weit besser standen, aber Neil Mann wollte sein Geld ja auch im Voraus haben.
Und jetzt waren seine Chancen auf fünfzig zu eins gestiegen. Die Sache war zwar immer noch nicht im Kasten, aber Bantling hatte nichts zu verlieren. Ein kleiner Urlaub aus dem Dreckloch hier, ein Ausflug quer durch Florida, das süße Wiedersehen mit alten Freunden – die Sache wuchs sich zu einer richtigen Party aus. Und dann war da noch das Ü-berraschungsbonbon, mit dem er nicht einmal gerechnet hatte: Anklage vor dem Bundesgericht und Suspendierung des leitenden Ermittlers – Halleluja!
Er sprengte die Bank.
Mann, das würde ein Spaß werden. Die Trümpfe, die er in der Hand hielt, würden die gar nicht so sü-
ße Chloe das Fürchten lehren. Sie in ihre eigene kleine Zelle schicken, mit Ratten als Mitbewohnern und einmal die Woche Besuch von ehemaligen Freunden und Liebhabern, wenn sie Glück hatte.
Das hieß, falls sie nicht wieder durchdrehte. Dann wäre ihre Zelle weiß und gepolstert, und sie bekäme lange Zeit gar keinen Besuch. Vielleicht war das noch besser, kicherte er in sich hinein. Er wusste, er konnte es schaffen, egal, wie die Chancen standen.
Lourdes Rubio flehte ihn um Vergebung an, das hatte er schwarz auf weiß. Er hatte das Tonband.
Chloe hatte nichts. Gar nichts. Sie waren alle tot, jeder Einzelne ihrer abgerichteten Affen, ihrer Kom-plizen. Es gab nur noch sie. Sie war die letzte Zeugin.
Die Tür seiner Fünf-Quadratmeter-Zelle fiel zu, und er war wieder eingeschlossen. Doch nicht mehr lange. Es war Zeit, die Koffer zu packen. Die Zahnbürste und seinen Sonntagsanzug. Denn es ging nach Hause.
Und wenn er nächste Woche wieder in der Stadt war, hätte er noch ein anderes kleines Geschäft zu erledigen. Denn es gab noch einen, der Bill am liebsten in der Zelle verfaulen sehen würde für Verbrechen, die er nicht begangen hatte. Einen, der ebenfalls versuchte, Bills Zukunft zu beeinflussen.
Wenn Bantling das Tonband endlich hören konnte, würde sich sein Verdacht bestätigen, und dann könnte er sich auch um den neuen Mitspieler kümmern. Ein paar Karten hatte er noch in der Hand, die er vor der Bezirksstaatsanwaltschaft ausspielen würde, und für seine neuen Freunde bei der Bundesstaatsanwaltschaft hatte er auch noch was parat. Interessante Mosaiksteinchen, die er gegen ein paar Gefälligkeiten eintauschen würde, falls die Dinge nicht so liefen wie geplant.
Bantling hatte nur noch kein Gesicht, das auf den Namen passte. Doch schon bald würden die uner-schrockenen Gesetzeshüter Morpheus’ Identität aufdecken, denn er war einer von ihnen, da war sich Bantling sicher. Er lauerte in den eigenen Reihen. Der Mann, der in gewissen tödlichen Kreisen nur unter seinem anderen Spitznamen bekannt war.
Cop-Killer.
EINUNDSECHZIG
Dann musst du es eben tun.
Sie dachte an die Worte ihres Vaters, als sich im dritten Stock die Fahrstuhltüren öffneten. C. J.
drückte den Rücken durch und bahnte sich mit ihrem Wägelchen den Weg durch das alltägliche Chaos, das mittags um eins auf den Fluren des Gerichts herrschte, nach dem Essen, wenn die Sitzungen wieder begannen.
Richter Chaskel hatte einen der größeren Gerichtssäle des Gebäudes belegt, Saal 4-8, um die murrende Presse unterzubringen. Sein Maulkorbgebot war befolgt worden – vielleicht etwas zu ge-wissenhaft – und die Flucht ins Richterzimmer bei Bantlings Huff-Hearing hatte ihm bei den Medien auch nicht gerade Punkte eingebracht. Um keine Lawine von Klagen wegen Verletzung der Sunshine Laws zu provozieren, der Beschneidung von Informations- und Pressefreiheit, hatte Chaskel nun für die Beweisaufnahme die großen Tore geöffnet, doch das Maulkorbgebot galt weiter. Glücklicherweise hatte Neil Mann Angst vor dem Richter und war nicht clever genug, sich auf die Seite der Presse zu schlagen. Damit hätte er Sympathien gewinnen
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