Morpheus #2
Jeff gereizt fort, «aber ich sag dir eins, Tom, das hier ist keine Stadt, die zum Angeklagten hält. Nicht zu einem, der in der Todeszelle sitzt, und bestimmt nicht zu einem, der ein Serienmörder ist und auf dem Video aussieht, als würde er seine eigene Mutter fressen. Dass Lowell die Anklage durchgekriegt hat, bedeutet rein gar nichts. Wenn Richter Guthrie und eine Jury mit Leuten aus der Gegend hören, dass der Special Agent eine blütenreine Weste hat und es nie Beschwerden über ihn gegeben hat, und wenn sie sehen, wie der Mann, der für elf Morde verurteilt ist, auf dem Video faucht und geifert – und noch grinst, als er den Kinnhaken einsteckt, weil er denkt, er weiß, wie der Hase läuft… Was ich sagen will, Tom, hier oben wird so eine Sache nicht unbedingt für eine Verletzung der Bürgerrechte gehalten.
Im Gegenteil. Und vergiss nicht, wie der verurteilte Serienmörder vor der Öffentlichkeit geprahlt hat, er sei ein brutaler Vergewaltiger und habe die hübsche Staatsanwältin und Freundin unseres hoch geschätzten Cops beinahe abgemurkst – die Leute werden mit Fähnchen und Trillerpfeifen draußen vor dem Gericht stehen.»
«Scheiß auf die Leute», knurrte de la Flors.
«Bitte?»
«Entschuldige, Jeff. Hör zu, mach, was du kannst, und lass die Geschworenen entscheiden.
Dein hoch geschätzter Cop mischt sich hier in eine FBI-Ermittlung, bei der es um die Polizistenmorde geht. Und es ist nicht das erste Mal, dass er versucht, uns auszustechen. Er tut sich mächtig dicke.» Sich dicke tun. Das war die Sprache, die man dort oben verstand, Tom de la Flors trommelte mit dem Stift auf den Tisch. Dominick Falconetti war ein sturer Hund. Und er hatte sich seit dem Cupido-Fiasko nicht gebessert. Er und sein Kommandostab brauchten endlich einen Dämpfer. Sie hatten sich schon das letzte Mal mit ihm angelegt, was ihn damals fast die Berufung zum Bundesrichter gekostet hatte.
«Wenn er zu Hause vor der Glotze sitzt, kommt er vielleicht am ehesten wieder zur Besinnung», fuhr de la Flors fort. «Der Polizeipräsident soll sich mit seinem Boss zusammensetzen und darüber reden, welchen Nutzen ihr heißblütiger Agent der Task-Force zurzeit bringt.»
«Ich sag’s dir gleich, ich werde mich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen», sagte Jeff müde.
«Carson Trunt wollte die Sache nicht mal mit der Kneifzange anfassen.»
Trunt war der Staatsanwalt des Achten Gerichts-bezirks in
Bradford County, wo das Staatsgefängnis Florida seinen Sitz hatte. Die Gerichtsbarkeit über Verbrechen auf Landesebene oblag ihm, und das schloss auch Körperverletzung in staatlichen Einrichtungen mit ein. Jeff wusste, es würde schwierig werden, einer Jury im Bundesgericht zu erklären, warum die Bundesregierung der Vereinigten Staaten einen Landesbeamten verklagen wollte, der in einer Lan-desvollzugsanstalt einen auf Landesebene Verurteilten geohrfeigt hatte – womit das Land aus irgendeinem Grund nichts zu tun haben wollte.
De la Flors knirschte mit den Zähnen. «Es gibt ein Video von einem Cop, der einem Häftling die Visage poliert, und du hast Angst, die Leute denken, du würdest dich zu weit aus dem Fenster lehnen?» Er atmete geräuschvoll aus, dann änderte er seinen Tonfall. «Ich halte dich für einen guten Mann. Du machst eben deinen Job. Carson Trunt ist der, der seine Pflichten vernachlässigt. Aber wir haben nun einmal Wahljahr, nicht wahr?»
Tom de la Flors legte kopfschüttelnd den Hörer auf und sah Mark Gracker ungläubig an, der vor ihm saß und sich mit einer Visitenkarte die Fingernägel reinigte.
«Sagen wir es mal so, sie sind nicht gerade begeistert dort oben.» Gracker nickte langsam, doch er war klug genug, den Mund zu halten. «Gracker, Sie beeilen sich lieber mit dem, was Sie hier unten zu tun haben.»
Verfluchte Südstaatler, dachte de la Flors und fuhr sich durch das dünner werdende Haar. Kein Wunder, dass sie den verdammten Bürgerkrieg verloren hatten. Fähnchen und Trillerpfeifen. Was zum Teufel veranstalteten die da oben – eine Gerichts-verhandlung oder einen Jahrmarkt?
SECHZIG
Bill Bantling grinste, als die Wachmänner ihn durch den Korridor zu seiner Zelle zurückbrachten.
Irgendwie war alles nicht mehr ganz so trist und grau wie noch vor einer Stunde. Das Treffen mit seinem Anwalt hatte sich gut entwickelt. Sogar besser, als er erwartet hatte.
Anscheinend hatten die Chancen, nach einem Schuldspruch – egal, welcher Art – mit einem Berufungsantrag wieder vor dem Richter zu
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