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Morpheus #2

Morpheus #2

Titel: Morpheus #2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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können, die sein Mandant bitter nötig hatte, doch er spielte die Karte nicht aus.
    An Rose Harris’ Seite erreichte C. J. die Tür des Saals. Mit erhobener Hand signalisierte sie, dass sie keinen Kommentar abgeben würde. Erleichtert sah sie, dass Rose es genauso machte. Seit zehn Jahren waren sie Kolleginnen, fünf Jahre zusam-

    men in der Abteilung für Kapitalverbrechen, doch sie hatten sich nie enger befreundet. Und die jüngsten Ereignisse belasteten ihre Beziehung zusätzlich.
    Doch jetzt war es wichtig, vor Chaskel und dem Staatsanwalt eine geschlossene Front zu demonst-rieren, also marschierten sie gemeinsam auf, jede mit ihrem Aktenwagen im Schlepptau. C. J. wusste, dass Rose wütend war, weil ihr Fall gegen Bantling von C. J.s Fall abhing und weil, wenn C. J.s Schuldspruch kippte, Rose’ Schuldspruch ebenfalls in die Binsen ging.
    Rose war ziemlich abgebrüht – im Gerichtssaal und auch sonst. Mit Köpfchen und Ellbogen war sie die Karriereleiter hinaufgeklettert, vorbei an Männern, die schon länger als sie im Geschäft waren.
    Sie hatte die anderen zehn Cupido-Morde verhandelt, als C. J. sie ihr übertragen hatte. Wegen des Mordes an Anna Prado musste C. J. Bantling selbst vor Gericht bringen, doch emotional wäre es Selbstmord gewesen, wenn sie die anderen Morde auch noch verhandelt hätte. Vier Wochen mit ihm im Gerichtssaal waren genug gewesen. Als das Urteil feststand, hatten Rose Harris und das Williams Rule übernommen. Allerdings sah es jetzt so aus, als würde die Geschichte noch einmal umgeschrie-ben, und keine von beiden war besonders glücklich darüber.
    Travis Cormier aus der Haftanstalt hielt C. J. die Tür auf. Sie zögerte. Wie bei einem Pferd, das instinktiv vor dem Sprung zurückscheute, wollten ihre Beine die Schwelle nicht übertreten. Sie wusste, dass er schon da war. Sie konnte es spüren.
    «Kommen Sie, Frau Staatsanwältin?», sagte Travis ungeduldig.
    Sie würde nicht zulassen, dass er sie verrückt machte. Sie war stärker. «Schon gut», gab sie zurück, «ich dachte nur kurz, ich hätte was vergessen.» Dann schluckte sie die Angst hinunter und ignorierte ihre weichen Knie.
    Der Saal war voll von Publikum und Journalisten, doch sie beachtete sie nicht. Sie sah nur Neil Manns Rücken und sein strähniges schwarzes Haar, das unbedingt geschnitten werden musste. Er stand am Tisch der Verteidigung. Das Jackett schlug Falten unter seinen Achseln, als er sich zu ihm hinunterbeugte. Sie konnte ihn nicht sehen, doch sie wusste, dass er auf sie wartete.
    Neil Mann hatte Einspruch gegen Handschellen und Fußketten erhoben, und Richter Chaskel hatte dem stattgegeben. Stattdessen war der prominente Häftling mit dem neuesten elektronischen Schnick-schnack ausgestattet worden. Von seinem Knöchel unter der Anzughose – er hatte die Beine lässig übereinander geschlagen – baumelte das Gerät, das im Volksmund «Bandit» hieß. Unter dem Hemd trug er einen Bauchgurt, der mit elektrischen Kontakten ausgestattet war. Beide Vorrichtungen würden ihm einen Elektroschock versetzen, der einen Drei-Zentner-Mann in die Knie gezwungen hätte, sobald ein Vollzugsbeamter den Knopf drückte. Bantling war mit einer ganzen Entourage von Wärtern aus Raiford angereist – vier Sergeants, ein Lieutenant und zwei Wachmänner sowie ein zweiter Wagen, der den Van eskortierte. Keiner wollte verantworten müssen, dass er verloren ging oder mit einer neuen Beule heimkam. Sein Gefolge hatte sich hinter dem Verteidigungstisch in einer Reihe an der Wand aufgebaut, neben der Geschworenenbank. Weiteres Wachpersonal sicherte den Eingang und die Richtertür.
    Langsam blickte C. J. zum Verteidigertisch und sah die langen weißen Finger einer Hand, die bedächtig auf die Holzplatte trommelten. Jetzt verdeckte der Rücken des Anwalts nur noch das Gesicht. C. J. konnte den Blick von den Fingern nicht lösen. Selbst aus der Entfernung hätte sie schwören können, sie höre das Klicken der Nägel auf dem Tisch, das leise Pfeifen seines Atems. Er war auf der Lauer.
    «Erheben Sie sich!», rief Hank der Gerichtsdiener plötzlich.
    Sie hatte keine Zeit mehr zum Nachdenken. Die Tür zum Richterzimmer wurde aufgerissen, Richter Chaskel erschien und rauschte auf seinen Thron zu.
    C. J. spurtete durch den Mittelgang.
    «Keine Mobiltelefone, keine Pager während der Verhandlung. Bei wem es klingelt, der fliegt raus.
    Dem Gericht sitzt vor: der Ehrenwerte Richter Leopold Chaskel III. Setzen! Ruhe im Gerichtssaal!»
    Hank

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