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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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nicht vom Namen her bekannter Stupido im karierten Sakko und Pumphosen, Kniestrümpfen und Skistiefeln, erhebt sich, wirkt etwas schüchtern und kleinlaut, aber entschlossen, und kommt langsam auf euren Tisch zu. Er fasst dich ins Auge, dieser Blick soll einschüchternd sein, dezentes Stirn- und Brauenrunzeln, hat er sich wohl in Cowboyfilmen mit Tom Mix abgeguckt, der Blick soll nicht gleich zum Streit führen, aber doch signalisieren, dass er nichts fürchtet und nichts ausschließt. Insgesamt also eher zum Lachen.
    Er kommt heran, beugt sich über Dzidzia Rochacewiczs Schulter und flüstert ihr etwas ins Ohr.
    Du hörst es nicht genau, aber ich höre es gut.
    «Das Fräulein ist sich vermutlich nicht im Klaren, aber die Kanaille, mit der Sie am Tisch sitzen, ist ein Verräter, ein Renegat, er hat Polen verraten und ist Deutscher geworden.»
    Dzidzia lacht und zwinkert dir zu.
    Du weißt nicht genau, wie sie das meint, aber sie hat dir ja nicht zufällig die Pistole gegeben, die jetzt an deine Leiste drückt. Du erhebst dich also ein wenig vom Stuhl, der Stupido im Sakko strafft sich, als machte er sich auf eine Schlägerei gefasst, doch du ziehst einfach den Colt aus der Hose. Du ziehst den Schlitten zurück, er schnellt geräuschvoll wieder nach vorn, die Pistole ist geladen. Du hältst sie offen vor dir in der Hand. Der Stupido reißt vor Schreck die Augen auf und zieht sich langsam, Schritt für Schritt, an seinen Tisch zurück. Dzidzia wirft sich dir an den Hals. Sie amüsiert sich köstlich – macht dir das keine Angst, dass sie sich so amüsiert, Kostek, dass sollte dir Angst machen, Dummerchen, du weißt nicht, wer dich wirklich liebt und wer dein Feind ist. Sie sollte sich nicht so amüsieren, sollte sich eher Sorgen machen, dass die Leute sie für eine deutsche Nutte halten könnten, dass sie ins Gerede kommt, stattdessen amüsiert sie sich herrlich.
    Du legst die Pistole auf den Tisch. Der Kellner bringt Kaffee und Wodka, stellt sie mit distinguierter Sorgfalt neben der Pistole auf den Tisch. Ihr trinkt.
    Im Café tritt Schweigen ein, aber keine Stille. Es wird laut, Stühle rücken, die Leute stehen vom Tisch auf, ziehen Umhänge, Jacken und Mäntel an und gehen. Und warum gehen sie, Kostek, gehen sie vielleicht raus, um dich vor den Kopf zu stoßen, dich zu sabotieren, dir ihre Abscheu zu bezeigen?
    Nein, Kostek, sie gehen raus, weil sie Angst vor dir haben. Angst vor der Pistole, Angst vor der Macht, die du besitzen musst, wenn du im Café einfach so eine Pistole ziehst und auf den Tisch knallst. Die Macht, die du über sie hast.
    Sie wissen nicht, dass Dzidzia dich beherrscht. Auf ganz seltsame Weise, indirekt, so wie die Adlerin oder der Ingenieur.
    Und Dzidzia lacht lustvoll weiter, wundervoll, für dich. Sie gehen raus. Haben Angst. Und dein Schwanz macht die Hose eng, nicht wegen Dzidzia, sondern weil die da Angst haben. Du trinkst deinen Wodka, Kostek, was bleibt dir übrig? Du trinkst deinen Wodka und dann deinen Kaffee, und das Lours leert sich.
    Und als es leer ist, verändert sich Dzidzias Blick: Dzidzia Rochacewicz spielt nicht mehr die Verliebte, sie ist nun einfach nur Dzidzia und sieht dich an, Kostek, wie in Krakau und bei der Łubieńska, schaut dich einfach an, nicht ohne Sympathie, gewiss, aber auch mit Distanz und Spott und herzloser Herablassung.
    «Du wirst ordentliche Papiere brauchen. Die Kennkarte allein reicht nicht», sagt sie.
    Weiß ich doch. Ich weiß, dass ich ordentliche Papiere brauchen werde, und weiß sogar, wo ich sie kriege. Nicht bei meiner Mutter Adlerin, nicht ihr werde ich diese Papiere abluchsen, ich gehe zum Botschafter, ihn werde ich bitten, werde die Sache darstellen, auf Mitleid spielen, egal wie, durch ihn komme ich da ran, ich ganz allein, ich schaffe das, niemand wird mir helfen müssen.
    «Findet sich schon», sage ich schulterzuckend.
    Dzidzia lacht, tut das verächtlich ab, wie die Angeberei eines Schulbuben.
    Dzidzia trinkt ihren Kaffee aus, und als die Tasse leer ist, greift sie zum Wodka und kippt ihn mit einem Zug, den Blick auf dich gerichtet, herausfordernd. Ich fürchte dieses langnasige Weib, Kostek.
    Ich rufe den Kellner, bestellte noch zwei. Der Magen voll Wodka und Kaffee.
    Der Kellner bringt sie, stellt sie auf den Tisch, angewidert und voller Mitleid für Dzidzia, der er völlige Unkenntnis meiner moralischen Verfassung unterstellt; wir trinken seiner ungeachtet.
    Dzidzia kippt das Glas mit dem gleichen Blick wie zuvor, also bestelle

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