Morphin
das Gespräch mit dir mit einer Warnung begannen: «Sie denken aber bitte nur nicht, dass ich eins von diesen leichten Mädchen wäre …?» Und du wusstest, das bedeutet genau das Gegenteil? Dass die, die wirklich keine hergelaufenen leichten Mädel sind, sich beim Dancing nicht selbst zu dir setzen und mit der Zigarettenspitze zwischen ihren Lippen herumspielen. Und schon gar nicht müsste eine, die das nicht ist, betonen, dass sie «kein leichtes Mädel» ist, denn das versteht sich ja wohl von selbst. So eine Frau hast du geheiratet, Kostek, die hygienische Hela, nicht wahr?
«Du ziehst mich an, denn du hast schöne Augen, einen hübsch gezeichneten Mund, große, kräftige Hände, und du hast Charakter. Ein bisschen zerknittert, abgenutzt, zerkratzt zwar, aber Charakter», fährt Dzidzia fort, als wühlte sie mit dem Finger in der offenen Wunde. «Herr Ober …! Noch einen!»
Der Kellner, Hass, klack-zack der Wodka, das Lours leer.
«Also vielleicht könnte ich doch?», fragt sich Dzidzia, während sie dich prüfend anschaut, als sähe sie dich zum ersten Mal. Dich ansieht, so wie du oft die Frauen angesehen hast.
«Na, trink!»
Und ich trinke. Erinnerst du dich, wie du die Frauen angesehen hast? Und jetzt spürst du, dass das zu viel ist, in diesem Tempo, auf unausgeschlafenen, leeren Magen zu viel, und plötzlich steigt es hoch, du fährst vom Tisch auf, Dzidzia lacht, und du weißt schon, dass du es nicht schaffst, also drehst du dich nur um und kotzt, speihst einen brennenden Strahl von Wodka und Kaffee, Dzidzia den Rücken zugewandt, kotzt.
«Also dann doch nicht, Konstanty, nein. Ich könnte nicht mit jemandem gehen, der nicht von morgens an trinken kann.»
Die Tischchen bekotzt, die weißen Tischdecken bekotzt, die Blümchen, trotz Krieg Blümchen in den Vasen, bekotzt. Der Kellner danebenstehend mit säuerlicher, schweigender, unterwürfiger, gleichzeitig abscheuerfüllter Miene, als hättest du ihm aufs Hemd gekotzt und er müsste das demütig ertragen. Vielleicht ist es ja so.
«Also nein, dann doch nicht, mein Lieber», lacht Dzidzia. «Du kannst mich doch nicht verführen, ich würde mich keinem Mann hingeben, der nichts verträgt.»
Du hast gerade deine Männlichkeit ausgekotzt, deine Kraft, alles. Versuch, vor ihr zu fliehen. Du kommst nicht davon.
Ich komme nicht davon.
«Gehen wir, du Spinnerin», sagst du, Kostek, na und, was bringt es, dass du das gesagt hast?
Ihr geht, gewiss, aber nicht, weil du das gesagt hast, ihr geht, weil sie gehen will.
Also raus, erst Dzidzia, dann du, auf die Krakowskie, dort kleben sie Bekanntmachungen an die Mauern, Pinsel, Klebstoff, und sie kleben, voller Scham, voller Wut, aber wie sollten sie nein sagen? Ihr bleibt stehen, Dzidzia und du.
«Bekanntmachung.
Das Standgericht der Polizei der Stadt Warschau gibt die Vollstreckung der Todesurteile an sieben Personen bekannt, die wegen Waffen- oder Munitionsbesitzes verurteilt worden sind. Jan Siokało, ehemaliger Starost von Wągrowiec. Józef Sadowski – Chemiker. Stanisław Lasocki – Arbeiter. Samson Luksemburg. Marian Baranowski. Narcyz Gajewski. Wiktor Sikorski. Unterzeichnet: Polizeipräsident Classen.»
Erschießen wird die Schutzpolizei sie im Sejmgarten, doch das wisst ihr nicht. Vor dem Anschlag steht eine Frau mit Kopftuch, sie hält einen Vierjährigen mit rotem Mützchen an der Hand, unter dem blonde Locken herausquellen.
Ihr drängt euch zu der Bekanntmachung durch, die Frau zieht den Jungen weg. Und ich sehe ihn in vierzig Jahren: wie er die Straßen eines anderen Warschau entlangläuft, groß, schön, langhaarig, mit dem sicheren Schritt eines Intellektuellen, der sich aber auch zu prügeln versteht. Er hat einen großen, hellen Schnurrbart, fürchtet niemanden und verankert in den Köpfen seiner Nächsten Sätze und Redensarten, vermag das, weil er englische Bücher liest, seine eigenen Bücher schreibt er auf Polnisch. Und noch später, immer noch groß und schnauzbärtig, leicht gebeugt, gleichsam angeknackst an einer Stelle und krumm (der Rücken immer noch gerade), geht er mit viel langsamerem Schritt und erzählt den Kleineren und Jüngeren Anekdoten, die so perfekt sind, dass sie gar nicht wahr sein müssen und es meist auch nicht sind.
Ihr aber seht nur die rote Strickmütze mit Bommel, das kleine Händchen verschwindet in der Hand der Mutter, ich aber sehe die gewaltige Pranke, in die dieses Händchen sich verwandeln wird, die andere erwachsene Männer mit Leichtigkeit
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