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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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ich noch mal. Kellner, Abscheu, zwei Wodka auf dem Tisch. Das Lours leer. Wir trinken. Und noch zwei. Dzidzias Gesicht rötet sich leicht, doch der Zweikampf ist unentschieden. Also gut, noch zwei. Und noch zwei.
    Jeder von uns trinkt einen Viertelliter. Auf leeren Magen. Dzidzia purpurrot, aber unverändert lächelnd.
    «Wir fahren zu dir.»
    Ich tue gleichgültig, was das Fräulein Rochacewicz erneut amüsiert.
    «Du glaubst aber nicht, Konstanty, dass du mich mit diesem gespielten Desinteresse verführen kannst? Mich?»
    Das bringt dich aus der Fassung, Kostek. Du verlierst den Mut. Bist verwirrt. Viele Wörter dafür, was du in Wahrheit bist, Kostek. Du bist leicht aus der Fassung zu bringen. Du bist jemand, der schnell den Mut verliert. Ich habe Angst vor dieser Frau, Kostek, ich möchte, dass du meine Angst spürst. Möchte dir kalt über den Rücken rinnen. Möchte dir die Eingeweide einklemmen, möchte deine Cutis anserina sein, die kleinen Muskeln unter deiner Haut zusammenziehen und die Härchen in deinem Nacken sich aufrichten lassen. Aber ich kann es nicht. Du hast keine Angst vor ihr.
    Ich habe Angst vor dieser Rochacewicz und bin doch angezogen von ihr, auch wenn sie völlig unzugänglich erscheint, ich betrachte sie wie das Schusterlein die Königstochter, bin kurz davor, sie zu verehren.
    «Niemanden, der mir Gleichgültigkeit gezeigt hat, ob vorgetäuscht oder nicht, habe ich je ins Bett gelassen.»
    Du lügst, Rochacewicz, ich weiß, dass du lügst, aber er, der Dummkopf, weiß es nicht: Schon richtig, niemanden, abgesehen von dem Einen, Einzigen, Ersten, der dich gerade dadurch gekriegt hat, dass er nicht wie die anderen versuchte, dich zu verführen. Und deine Jungfräulichkeit kehrt nicht wieder, du hast sie ihm geschenkt und auch das Herz, das nun fort ist, bei ihm deponiert. Ich habe Angst vor dir, fürchte dich so sehr wie keins der Weiber, denen mein Kostek sein Herz geschenkt hat, die er mit dem Blick oder mit seinem Schwanz aufgespießt hat.
    «Aber noch einen zum Abschied!», kommandiert Dzidzia.
    «Es ist halb neun», sagst du.
    «Wie die Zeit vergeht, oder?», lacht sie.
    Der Keller, Glas pocht auf Tischplatte, ihr sauft auf leeren Magen, Kaffee und Wodka, Wodka und Kaffee.
    Im Regiment gab es so ein Spiel, ein Spiel für die Leutnants, ewiges Triezen, überall Triezen, Triezen, Triezen, unsterbliche Schinderei, ewig, Adam triezte Eva, die Kameraden Husaren triezen die Postsoldaten, nur dass das damals nicht so genannt wurde, später in der russischen Kavallerie schunden die alten Männer die jungen Fähnriche, und so ist das auf euch gekommen, diese Schinderei, direkt von den Ulanenregimentern des Zaren von Allrussland. Und immer die Älteren die Jüngeren, also in der Fähnrichschule der ältere Jahrgang den jüngeren, rauf auf den Ofen, Kurwa, sag die Ulanenregimenter auf und die Stationierungsorte und Kampfwege und Kavaliersgesänge, Kurwa im Falsett, also die Oberleutnants und Hauptleute für die jüngeren Leutnants, und besonders für die Leutnants der Reserve: Säbel auf den Tisch, Wodkagläschen auf ganzer Säbellänge, am Ende ein dickes Stück Kuchen mit Creme, auf dem Kuchen ein Hering. Und getrunken wird vor dem Abendessen, getrunken wird ununterbrochen und pausenlos und nicht nur getrunken, sondern danach auch gegessen, und kotzen durfte man natürlich nicht, darin bestand das Ulanensein: trinken, ohne sich zu betrinken. Saufen, ohne zu kotzen. Bumsen, ohne zu heiraten. Kämpfen, ohne zu verlieren. Sterben und dennoch siegen.
    Doch jetzt seid ihr besiegt, schändlich besiegt, die Grenzschlacht und die Schlacht an der Bzura und um Warschau und bei Kock und die Schlacht um Polen, die Schlacht um alles und um euer verkacktes Leben, endgültig verloren habt ihr vor nicht mehr als zwei Wochen, und wozu, wozu habt ihr verloren? Aber so oder so ist das alles schon vorbei, es gibt keine Ulanen mehr, die Deutschen haben euch in den Arsch gefickt, die Russen euch den Rest gegeben.
    «Ich möchte, dass du verstehst, Kostek, dass du mich nicht verführen kannst», sagt Dzidzia. «Du bist ein schöner Mann, sicher, du bist auch ziemlich interessant, und ich finde dich sogar ein klein bisschen anziehend …»
    Weißt du, Idiot, dass sie, wenn sie das sagt, es nicht so sagt wie die Mädchen, die du früher getroffen hast in der Welt, die es nicht mehr gibt, die es vielleicht sogar nie gegeben hat, die du in Kneipen, auf Dancings, in Grill Rooms und Kaffeehäusern getroffen hast und die

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