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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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schiebt dir die Orden und Medaillen in die Jackentasche, schließt den Knopf sorgfältig. Anschließend reicht er dir die Stiefel, du setzt dich auf einen Stuhl, dein Vater hilft dir beim Anziehen der hohen Offiziersstiefel mit den Sporen, er macht das so geschickt wie eine gute Ordonnanz.
    «Na gut, dann sieh dich im Spiegel.»
    Du siehst dich im Spiegel an, in dem ein polnischer General sich betrachtet hat. Vielleicht Walery Sławek? Du weißt nicht, in welcher Wohnung er sich erschossen hat, vielleicht in dieser. Im Spiegel siehst du einen Deutschen in Uniform, einer perfekt geschnittenen Uniform. Als hätte der Schneider Maß an dir genommen, nicht an deinem Vater. Die vom Vater abgezogene Haut. Graue Jacke, dunkelgrüner Kragen. Waffenfarbe grau. An den Schulterstücken zwei Sterne aus weißer Schnur.
    Ich überlege einen Augenblick: also Hauptmann. In unserer Armee drei Sterne, hier zwei, dafür größere, und diese weiße Schnur. Zwischen den Sternen ein Monogramm aus drei Buchstaben: GFP . Ich kenne die Bedeutung nicht, aber auf dem linken Ärmel eine schwarze Binde mit aufgestickter weißer Schrift, ich hebe den Arm und lese: «Geheime Feldpolizei». Das Monogramm.
    All das für mich und doch nicht für mich. Früher sind meine Sachen mit mir verschmolzen. Sogar die Uniform, die ich ungern trug, die polnische Uniform, ist mit mir verschmolzen. Aber das alles, das berührt mich nicht.
    «Die Löcher im Stoff, wo die Auszeichnungen gesteckt haben, könnten dich leicht entlarven», sorgt sich Baldur in seiner zivilen Hose und dem etwas schmutzigen Hemd, das du jetzt bemerkst, als er um dich herumtappt wie eine bemühte Ordonnanz.
    Ich bewege den Arm, die Uniform bewegt den Arm. Ich lächle, ein Lächeln neben der Uniform.
    Mein Vater bürstet mir die Uniformbrust, die Stofflöcher fallen gleich weniger auf. Dann legt er die Bürste weg, zieht die kleine Pistole aus dem Halfter an deiner linken Hüfte, löst das Magazin, prüft die Kammer, steckt die Pistole zurück.
    «Ich habe noch eine andere Waffe, eine private», sagt er entschuldigend. Auf der Kommode liegt eine Pistole in einem großen Lederfutteral.
    «Ist das diese Mauser?», fragst du und erinnerst dich an den rundlichen Griff, dicht vor deinem Gesicht, in Kattowitz, als du deinen Vater zum letzten Mal mit Kinderaugen gesehen hast.
    Dein Vater nickt. Er setzt dich an den Tisch, aus einer braunen, mit zwei Klammern zu schließenden Tasche holt er Papiere und spricht, spricht mit kriegsentstellter Stimme.
    Er reicht dir die Dokumente. Feldpolizeikommissar Baldur von Strachwitz. Soldbuch. Grüner Passierschein, darauf zwei Fotos, in Uniform und im Anzug, das Gesicht auf beiden gleichermaßen zerbissen.
    «Wenn ihr eine Organisation habt, dann können sie dir vielleicht die Bilder austauschen, die Stempel fälschen. Da habt ihr bestimmt wen, der das kann», sagt er.
    Die Scheibe aus silbernem Metall, am Gurt, einer Erkennungsmarke ähnlich, aber mit nur einer Öffnung und ohne Sollbruchstelle. Das ist ein Abzeichen. Oberkommando des Heeres. Geheime Feldpolizei. 2553 . Auf der Rückseite der deutsche Wehrmachtsadler mit dem Hakenkreuz in seinen Fängen. «Das sollte für den Normalfall genügen, nur wenige sind berechtigt, die Papiere zu verlangen, wenn man diese Marke vorweist. Und stell dich nie vor, sag immer nur «Geheime Feldpolizei». Und zeig die Marke. Verlang eher du ihre Papiere, klar? Egal, ob in Uniform oder in Zivil. Aber in Uniform wirst du überzeugender sein.»
    Die Worte klingen dir polnisch im Kopf. Doch er spricht schließlich deutsch zu dir, deutsch.
    «Verstehst du?»
    Ich verstehe.
    «Papa. Für so etwas werden sie dich doch hinrichten.»
    «Sie werden mich nicht hinrichten», lächelt er. «Zieh dich um und geh schon.»
    Als du dein Hemd zuknöpfst und die Krawatte bindest, packt er die Uniform, den Mantel, die Papiere und die Waffe zu einem ordentlichen, handlichen Paket zusammen, einem großen Paket, deinem Paket, dein Leben schlägt er in braunes Papier ein und verschnürt es wie ein eifriger Verkäufer.
    «Ich bringe dich nach unten, mein Sohn. Es ist wichtig, dass der Wächter uns zusammen sieht, wenn du rausgehst.»
    Die Treppe nach unten. Ich bin betrunken. Das Päckchen. Mein Vater bringt mich zur Tür und geht mit mir nach draußen. So klein und zierlich, viel kleiner als ich. Und trotzdem sitzt die Uniform. Wir stehen uns eine Weile gegenüber. Mein Vater legt mir die Hand auf die Schulter, umarmt mich und drückt mich,

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