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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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sehe, wie Hela die ganze Zeit von einem Typen mit glatt zurückgekämmtem Haar angestarrt wird, hartnäckig fährt sein Blick über meine junge Frau. Ich hätte Lust gehabt, ihm eine reinzuhauen, fürchtete aber den Skandal, fragte deshalb, wer das sei, und bevor Józek antworten konnte, sah ich den Kerl auf uns zukommen. Er stellte sich in österreichischem Deutsch vor, Thorak, er ist von ihrer Schönheit entzückt und bitte seine Kühnheit zu entschuldigen, aber würde die Dame ihm Modell stehen?
    Helena hatte keine Ahnung, wer das war, aber ich wusste es und Józek auch. Danach lange Dispute im Hotel, Józio war natürlich dagegen, Helena schwankte, und ich redete ihr zu. Am Ende riefen wir an, gut, einverstanden, aber wir seien nur noch drei Tage in Paris.
    Am nächsten Morgen stand Hela nackt mitten in einem großen Hotelzimmer, alle Vorhänge geöffnet, um mehr Licht hereinzulassen, sogar die Lampen waren angeschaltet. Ich saß im Sessel dabei, auch wenn Thorak das ganz offensichtlich nicht gefiel, er wäre lieber mit seinem Modell allein gewesen. Ich hätte sie von mir aus auch gern allein gelassen, doch Hela wollte das nicht, also saß ich da, die Beine übereinandergeschlagen, rauchte eine Zigarette und sah zu, wie der deutsche Bildhauer meine Frau skizzierte. Ich sah die muskulösen Schenkel und Waden, den gemeißelten Rücken, die weichen Schultern mit gleichwohl sich sichtbar abzeichnenden Muskeln, harte, hohe Brüste, in glatter Linie zu den Rippen abfallend, bruchlos, kräftige Hüften und Nacken, der Körper einer Sportlerin, ein Körper, der auf Skiern, beim Bogenschießen, vom Reiten gemeißelt worden war. Das Tageslicht umspülte die weiße, nackte Hela, sie war stolz, dass wir sie so ansahen – ich und der Bildhauer. Stolz nicht auf ihre Fraulichkeit, denn sie hatte nichts Frauliches, das war Marmor, sie war stolz auf den Marmor ihres Körpers. Auf seine Bronze, den rostfreien Stahl, so wie der Arbeiter oder die Kolchosebäuerin einer Skulptur von Muchina im sowjetischen Pavillon stolz auf ihre Körper waren.
    Und ich sah, wie Thorak sie betrachtete: nicht wie eine Frau, sondern als die Skulptur, die er bereits in ihr sah.
    Diese Skulptur ist dann doch nicht entstanden. Helenas Vater, mein entzückender Schwiegervater, hatte 1918 die Vorderzähne verloren, ein deutscher Gefreiter hat sie ihm mit dem Kolben ausgeschlagen, und seit jener Zeit hasste er die Deutschen mit feuriger Inbrunst und verbot es. Hela fuhr nicht nach Berlin, sie schrieb Thorak einen idiotischen Brief, in dem sie ihm aus patriotischen Gründen absagte. Ohne auf mich zu hören, auf meine Erklärungen, dass die Beziehungen gerade sehr innig wären, seit Hitler Kanzler geworden sei, dass die Deutschen seit Jahrhunderten keine so polenfreundliche Regierung gehabt hätten, dass Hitler sowieso Österreicher sei, ohne die preußischen Vorurteile gegen Polen, nur die Tschechen und Juden möge er nicht, anders als die preußischen Junker. Aber Hela sagte ab. Sie erklärte mir feierlich, sie lasse sich nur von einem Polen in Stein hauen oder auf Leinwand festhalten. Bald meldeten sich ein paar Künstlerkollegen, denen Józek Szanacja das erzählt hatte, aber damit war nun ich wieder nicht einverstanden, aus purem Trotz. Thorak hatte sie nicht gewollt, da sollte sie auch keiner von den hiesigen Lehmknetern verewigen.
    Doch dass ich mir eine Geliebte nehmen müsste, hatte ich schon vorher entschieden, in dem Hotelzimmer in Paris, als Thorak Hela skizzierte. Ich betrachtete ihren schönen, sportlichen Körper und begehrte alle schönen Frauen der Welt, nur meine Frau nicht, ich begehrte fette Gesäße, rundliche Schultern, die nie etwas gehoben hatten, weiche Schenkel, die nie gelaufen waren, und schwere Zitzen, die niemals Kinder stillen würden, ich wollte weiche, zügellose, verderbte Frauen, die sportliche Reinheit meiner Ehefrau stieß mich ab.
    Doch das war damals, früher, in einer vergangenen Welt.
    Jetzt berühre ich Helas Hüften. Schmiege mich an ihren warmen Leib, meine Hände wandern nach vorn zu ihrer Brust. Ich will reine Liebe, keine verdorbene wie mit Salomé, und ich will in diesem Moment sogar, dass aus dem Akt ein neuer kleiner Pole oder eine kleine Polin entsteht. Ich fasse unter ihr Nachthemd, schiebe es hoch, berühre die nackte Haut ihrer Pobacken.
    «Kostuś, Jureczek schläft doch hier», sagt sie und drückt meine Hand weg.
    «Hela …», flüstere ich.
    Sie spürt meine Erregung, muss sie spüren.
    «Kostuś,

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