Morphin
ich bin klug, andere sind Dummköpfe, ich wusste Bescheid, ich sah voraus und kaufte, sie dagegen glaubten, sie würden bis Berlin kommen und ihre Pferde in der Spree tränken, warum sollte da in Warschau der Kaffee ausgehen, die Kohle?
Jetzt also trinke ich diesen Kaffee, echten Kaffee, kleide mich an, ordentlich und warm, ich werde zur Łubieńska gehen, das Paket hintragen, dort werden bestimmt die Verschwörer am Tisch sitzen, bei Kerzenlicht, möglicherweise hat sie nicht einmal Strom, am Erlöserplatz haben sie ihn vielleicht noch nicht wieder angeschlossen. Ich gehe dorthin, am Tisch Verschwörer, militärische Gestalten, aber in ziviler, unangepasster Kleidung, als wäre das schick, diese allzu engen Jacken und zu weiten Hosen, auf dem Tisch also Kerzen, und sie beim Kerzenlicht wie die Jakobiner von Wilna, wie die Fähnriche, wie der Kiewer Dreierbund, wie der Offizierskreis von Sierakowski in Petersburg, wie die Kämpfer des Kommandanten, die Revolver in den Taschen, hecken aus und verschwören, und ich bringe ihnen dieses Paket. Deshalb werde ich gehen und trinke jetzt Kaffee. Hela sieht mich an, gut, wohlwollend, herzlich, sieht in mir Nicht-Mich, deshalb sieht sie mich gut an. Ich habe mich schon entschlossen, ich werde handeln wie Nicht-Ich und das Paket zur Łubieńska bringen. Und jetzt trinke ich Kaffee und lache Jureczek an, der herzhaft in sein Butterbrot beißt.
Dann gehe ich. Auf der Treppe nach unten, in die Puławska und weiter in die vergewaltigte Marszałkowska, die aufgerissenen Bürgersteige. Mein Auto ist nicht da. Der Kakaosalon von Wedel geschlossen. Ich hasse die, die meiner Stadt das angetan haben. Ich habe den Schlagring mitgenommen, heute bin ich nicht mehr Soldat, heute gehöre ich dieser Stadt, meiner Wahlheimat, und als Warschauer Apache trage ich einen Schlagring, damit werde ich meine Stadt verteidigen. Auch ein Taschenmesser habe ich mitgenommen, ein zierliches Ding mit Perlmuttgriff, keine richtige Waffe.
Mein Hass erlischt, erlischt langsam, denn der Durst kommt. Ich denke mehr an das Taschenmesser als an den Schlagring. Ein bisschen nur aus den lieben Fläschchen, eine kleine Dosis wenigstens. Aber Jacek wird mir nichts geben, ganz bestimmt nicht heute, nach nur einem Tag. Gestern war der elfte Oktober, heute ist der zwölfte, heute müsste ich mich registrieren, gestern hat er was gegeben, heute wird er es nicht tun, kann es nicht, schließlich ist er mein Freund, das ist sehr viel, jemandes Freund zu sein. Zu Jacek gehen hat also gar keinen Zweck. Höchstens könnte ich ihn etwas wegen Iga fragen, nach einem Detail, das bei der Suche helfen könnte, die ich noch gar nicht begonnen habe.
Weshalb suche ich Iga nicht? Jacek sucht nicht, weil er nicht kann, die Pflicht, er ist jetzt Arzt, zwei Wochen nach Kriegsende kann er wirklich nicht nach seiner Frau suchen, die Leute sterben ihm unter der Hand weg. Er darf nicht, wirklich nicht. Aber ich könnte. Müsste. Schließlich ist Jacek mein bester, aufrichtigster Freund.
Und dann das, was zwischen uns war, zwischen mir und Iga. Vor langer Zeit, vor zehn Jahren, aber es ist gewesen und war nicht wenig, ich war ihr erster Liebhaber und sie meine erste Geliebte, wenn auch nicht die erste Frau, vorher gab es ein paar Prostituierte, aber das zählt nicht, dem Akt mit ihnen fehlte die Unterwerfung, sie boten sich dar, weil ich ihnen zehn Złoty zahlte, Iga dagegen unterwarf sich mir, weil ich ich war, weil ich ein Mann war, sie bestätigte mir das in ihrer Unterwerfung. Und ich glaube, Jacek hat mir bis heute nicht verziehen, dass er sie nach mir besaß, dass seine Iga meine Spur in sich trug, meine Besudelung. Obwohl ich ihm ja nicht gesagt hatte, er solle sie nehmen, ich habe sie ihm nicht angedient, sie war nicht mehr meine, als er sie bekam, er hat sie von selbst genommen, er wollte sie selbst, der Groll ist dennoch in ihm gewachsen, als wäre das meine Schuld, dass er sich in Iga verliebt hat.
Heute werde ich gehen, heute werde ich Iga suchen, heute bestimmt, heute muss ich Iga finden. Wegen dieser Spur, die ich in ihr hinterlassen habe, schließlich hinterlässt der Mann in jeder Frau, mit der er war, eine Spur. Nichts Körperliches, etwas in ihrer Aura, ihrem zweiten, geistigen Körper, wie Stach meiner Mutter sagte. Selbst wenn sie sich später zu hassen beginnen, sich gleichgültig und fremd werden, sogar dann lässt sich diese Spur nicht wegwischen, selbst wenn beide diese Beziehung für einen Irrtum halten, die Spur
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