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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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du, Konstanty?»
    Wer bin ich? Ich bin Konstanty Willemann und mag Frauen, Autos und Morphin, ich sitze gern mit bekannten Leuten im Café, ohne selbst bekannt zu sein, und sitze dennoch dabei, saß mit ihnen wie inter pares, was mich über sie erhob, denn jeder, der dort saß, musste sich durch irgendetwas auszeichnen, General allein genügte nicht, es musste schon ein Wieniawa sein, Dichter war zu wenig, es brauchte einen Tuwim oder Lechoń, und ich sitze zwischen ihnen, saß, ich niemand und deshalb ein Jemand, denn alle wussten, der Sohn eines abtrünnig gewordenen deutschen Grafen, und dennoch wussten sie es, und mein Niemandscharakter erhob mich über sie.
    Ich bin Konstanty Willemann, ich mag Frauen, ich tanze gern und mag keine Pferde, ich bevorzuge Autos, mag schottischen Tweed und Sommeranzüge aus dünnem Tropical, ich mag Autorallyes und das Drehparkett im Adria, ich mag Jazz, mag Champagner und Morphin, Militär und Uniformen mag ich nicht.
    «Wer bist du, Konstanty?», wiederholt Dzidzia ihre Frage. Und steht auf, bläst die Flamme aus und kehrt dorthin zurück, wo sie gesessen hat, ohne mich dabei zu berühren, obwohl sie mir nah kommt. Das gelbe Licht erlischt, ein bläuliches bleibt.
    «Wer bist du, Konstanty?» Hallt es nach, die Worte sind nicht erloschen.
    «Ich bin Baldur von Strachwitz.»
    «Wer bist du, Konstanty?», wiederholt sie.
    Ich komme nicht davon.
    «Ich weiß nicht.»
    «Du bist der, der du bist, verstehst du? Bist so, wie du bist. Niemand anders. Verstehst du?», sagt Dzidzia und hält das weiße Laken auf ihrem mondgeweißten Körper fest.
    «Verstehe ich nicht.»
    «Ich weiß, dass du nicht verstehst. Sonst wärst du ein anderer Mensch.»
    «Ich bin kein Deutscher.»
    «Ich weiß.»
    «Bin ich Pole?»
    «Das ist unwichtig.»
    Unwichtig. Und was ist wichtig? Mein ganzes Leben unter diesem Zeichen: Pole sein. Pole sein.
    Dzidzia steht auf, das Laken um ihren mageren Leib, drückt die kleinen Brüste.
    «Geh schlafen, Konstanty.»
    Sie ist gegangen. Ich bleibe allein mit dem Mondlicht, das ich nicht wollte, also zieh ich die Vorhänge vor, werfe mich aufs Bett und schlafe ein.

Kapitel elf
    A ufstehen, Kostek.»
    Sie riecht nach Tabak. Dunkel draußen, im Zimmer gelbes Licht. Die Uhr, grün leuchtende Zeiger. Fünf. Was?
    «Steh auf, es ist Zeit.»
    Dzidzia mit einer Zigarette in der Hand, reisefertig angezogen, und ich kaputt. Sie muss die Lampe angezündet haben. Ein Becher steht auf dem Nachttisch, es riecht nach Kaffee, nach gutem.
    «Ich warte am Auto.»
    Und geht raus.
    Ich ziehe mich rasch an, nur mit den Stiefeln habe ich Probleme, irgendwie sind meine Waden geschwollen, aber schließlich schaffe ich es doch. Dann putze ich mir die Zähne über dem Blechwaschbecken, das Wasser im Krug sehr kalt, ich rufe in den leeren Flur, Hanna bringt mir gleich heißes, zum Rasieren. Sie sieht mich nicht an, ihr Blick auf den Boden. Über dem Waschbecken ein kleiner, fleckiger Spiegel. Darin mein Gesicht, abgerissen, zerbrochen, gebissen von einem englischen Schrapnell, anders, als es in meinen Papieren steht, ein Maskengesicht, ein Nicht-Gesicht-Gesicht, ein Scheusal, kein Gesicht. Und pinkeln, wie pinkle ich?
    Ich pinkele mit Konstantys Schwanz, rasiere Konstantys glattes Gesicht.
    Ich kämme mein zerzaustes Haar, mache die Jacke zu, dann den Mantel, zwei Reihen Knöpfe, den Gürtel mit Holster und Schulterriemen knöpfe ich am Mantel fest, nehme mein Gepäck und die Maschinenpistole und gehe nach draußen, wo es noch stockdunkel ist.
    «Ich warte seit einer Viertelstunde. Du hättest mir wenigstens den Schlüssel geben können.»
    «Du warst doch schon weg, bevor ich überhaupt aus dem Bett kam.»
    Wir steigen ein, ich starte den Motor. Das Wetter hat sich verschlechtert, bewölkt, sehr kalt, feucht.
    «Wohin fahren wir?», fragt Dzidzia.
    Die Karte habe ich im Kopf, wir fahren nach Süden. Ich schalte die Scheinwerfer ein, ihre Lichtgarben geleiten uns durch zerstörte Straßen bis zum Markt, wir biegen nach links ab, dann nach rechts, weg vom verwüsteten Marktplatz, auf dem sich zu dieser Zeit niemand herumtreibt.
    Die Straße nach Ciepielów ist leer und eigentlich keine richtige Straße, auch wenn die Fahrbahn befestigt scheint. Man muss vorsichtig fahren, schneller als vierzig geht gar nicht; ich fahre also langsam.
    Unter der dunkelblauen Wolkenkuppel beginnt es zu tagen, als wir an Sycyna vorbeikommen; dann Ciepielów, dort über den kleinen Markt, wenig los, weniger Juden als in

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