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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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ein weißes Laken gewickelt, und wohin sie geht, ist klar, in ihr Pfarrerszimmer, aber woher kommt Dzidzia?
    «Kostek?» Sie dreht sich zu mir um.
    Ich schließe rasch die Tür, und mein Herz pocht plötzlich schnell, als hätte sie mich bei etwas Beschämendem ertappt, vielleicht ist das wirklich so. Die Bohlen knarren, der Fußboden. Der Mond fast voll, in Richtung Neumond.
    «Kostek. Mach auf», sagt sie durch die Tür, ganz nah. Sie steht dicht dahinter.
    Ich öffne. Sie nackt, nur ein Laken verhüllt diese Nacktheit, kommt rein, ohne zu fragen. Sie schließt die Tür hinter sich, und ich sehe ihren Körper, auch wenn er weiter vom Laken bedeckt ist, ihren Körper, der so mager ist, so gar nicht nach meinem Geschmack, und den ich so sehr begehre, und sie ist gekommen und ist hier bei mir, mit mir.
    Ich greife nach diesem in ein Laken gewickelten Körper und ziehe sie zu mir, und sie wehrt sich nicht, wehrt sich nicht. Schmiegt sich an mich, drängend. Also doch.
    «Hast du eine Pistole in der Tasche, oder freust du dich einfach über meinen Besuch?», scherzt sie, ohne das Gesicht von meiner Schulter zu nehmen. Warum scherzt sie?
    Ich erschaudere in einem flachen Lächeln, nur ein bisschen, versuche, sie zu küssen, was nicht leicht ist bei ihrem Gesicht an meiner Schulter, das Gesicht sucht einen Weg zu dem anderen Gesicht, das Gesicht versucht, das andere Gesicht zu sich zu drehen, und sie weiß schon, dass der Mund zum Mund will, zu ihm drängt, schon spüre ich auf meinen Lippen ihren Atem, und wenn das geschieht, dann wird alles geschehen.
    «Konstanty!», stößt sie mich weg. «Was ist in dich gefahren!»
    Ich lasse mich wegstoßen, also stößt sie mich weg, hat mich weggestoßen, und schon trennen uns Ozeane, schon trennt uns alles, auch wenn ich barfuß in Breeches und Hemd dastehe, hinter mir der Mond, und sie nackt in ein Laken gewickelt und barfuß vor mir, zwischen uns schwarze Ozeane.
    «Bist du verrückt?», fragt Dzidzia, prustend.
    Ich schlucke und wozu, wozu?
    «Entschuldige. Du kommst hierher, fast nackt …», erkläre ich mich.
    «Und da hast du gedacht, du kannst mich ficken?», fragt sie so, wie sie nicht fragen sollte, warum dieses Wort, warum? So kann ein Fleischer fragen. Oder ein Korporal. Dabei ist sie es, die so spricht, Dzidzia spricht. Ich dachte, ich sei schon ein anderer, dank ihr, hätte mich verändert, ich hatte verstanden, dass ich ich bin, jemand Eigenes und Starkes. Und jetzt wieder.
    «Ich werde nicht mit dir schlafen, Konstanty.»
    «Aber du schmiegst dich nackt an mich, nur in ein Laken gewickelt.»
    Dzidzia zuckt mit den Schultern.
    «Zünd die Lampe an.»
    Also suche ich Streichhölzer, ich habe sie doch neben die Lampe gelegt, da habe ich sie, hebe den verrußten Schirm, zünde sie an, drehe den Docht heraus, es brennt.
    Dzidzia setzt sich ganz unten ans Bettende, dreht den Kopf, nimmt eine Haltung ein, die mir klarmacht, ich muss mich ganz oben hinsetzen, weg von ihr, aber ihr zugewandt, und das tue ich.
    «Konstanty!», sagt Dzidzia, und in ihrer Stimme liegt weder Ärger noch Hohn.
    Ich höre zu.
    «Konstanty …»
    «Wo warst du?», frage ich, weil ich dumm bin, sie war kurz davor, mir etwas Wichtiges zu sagen, etwas, das ich gern gehört hätte, aber ich musste ja fragen, und jetzt wird sie es nicht sagen, weil ich gefragt habe: Wo warst du, wo war sie, Dummkopf, Dummkopf, und ich sehe – dass sie kurz davor war, mir etwas Wichtiges zu sagen, und jetzt kalter Ärger und kalter Hohn. Hab alles verdorben.
    «Beim Vikar war ich.»
    «Beim Vikar?»
    Dummkopf, Dummkopf, Dummkopf.
    Sie lacht mich aus. Nicht an – aus.
    «Beim Vikar. So ein Lappen ist das gar nicht.»
    Dabei weiß ich doch, dass sie lügt. Weiß ich denn, dass sie lügt?, ich weiß, dass sie lügt, und doch nicht. Denn vielleicht lügt sie, vielleicht nicht.
    «Soll ich dir erzählen?», spottet sie.
    «Nein.»
    Denn wenn du es nicht erzählst, werde ich denken können, das sei nicht wahr, das sei doch eine Lüge, aber wenn du von dieser Lüge noch mehr sagst, werde ich das nicht mehr denken können, auch wenn du ja überhaupt nicht bei ihm warst.
    Sie war nicht da, Kostek. War sie?
    «Konstanty, du könntest anders leben.»
    «Wie?»
    «Du könntest als du selbst leben, nicht als einer wie alle anderen. Wirklich, das könntest du.»
    Ihre Stimme, ihre Worte, ihre Augen. Ich weiß, es wird keine körperliche Nähe geben, aber vielleicht eine größere Nähe, eine nähere, stärkere?
    «Wer bist

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