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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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zusammenstaucht, aber einzelne Worte sind nicht zu verstehen.
    «Gefällt mir, dieser Vikar», sagt Dzidzia.
    «Du lügst. So ein Lappen von Mann kann dir nicht gefallen, fast noch ein Knabe.»
    «Kann nicht? Soll das ein Verbot sein?»
    «Eher Verwunderung.»
    Sie lächelt. Wirklich in Sektlaune.
    «Vielleicht sollte ich ihn verführen?»
    «Viel wirst du von ihm nicht haben, so ein Unschuldslamm, der kommt ja schon, wenn er dich mit deinen Haaren spielen sieht.»
    Ich versuche, ruhig Blut zu wahren und gleichgültig zu tun, sie weiß das zu schätzen. Sie dreht weiter eine Haarsträhne auf den Finger, und ich habe einen Augenblick Angst, wie sie auf so eine offen vulgäre und zynische Bemerkung reagieren würde. So hätte es Frau Czesławowa Bielska von Trąbecki gesagt: Dieses Mädchen wirkt auf mich vulgär und scheint zynischen Affären zugeneigt, ich glaube, wenn du dich nach ihr umdrehst, machst du alles zunichte, was wir uns in diesen Lektionen zu lernen bemühten, denn ein wahrer Pole guckt sich nicht nach solchen Mädchen um, die sich die Nähte der Strumpfhosen an die Waden malen. Dabei ging es mir gerade um diese Nähte, dir ging es auch gerade um diese Nähte, ich war fünfzehn und malträtierte mein Glied nächtelang und beschmutzte das Laken bei der Vorstellung, was so ein Mädchen in solchen Strumpfhosen mit mir anstellen könnte, nie dachte ich daran, was ich mit ihr anstellen könnte, immer nur, was sie mit mir.
    Der Pfarrer kommt wieder ins Esszimmer, zwei entzündete Öllampen in den Händen.
    «Bitte, die Zimmer sind bereit.»
    Wir folgen ihm, Treppe, Flur, eine Tür für mich, daneben eine andere für Dzidzia, eine Lampe für mich, die andere Lampe für sie.
    «Gehen wir schlafen?», frage ich dumm. Dumm.
    Dzidzia seufzt anzüglich und macht die Tür des Pfarrerschlafzimmers hinter sich zu. Also gehe auch ich in mein Vikarszimmer und schließe die Tür, ich kann sie ja nicht offen stehen lassen. Ich öffne den Gürtel, ziehe die Uniformjacke aus und habe keine Kraft, mich mit den Stiefeln zu quälen, also lege ich mich in den Stiefeln aufs Bett, achte nur darauf, dass die Sohlen das Bettzeug nicht verdrecken, die Füße ragen über den Rand, einer über dem anderen, nicht sehr bequem. Kurz darauf kommt der Junge und fragt, ob ich noch etwas brauche. Ich heiße ihn, mir die Stiefel auszuziehen, und er hilft mir heraus wie eine geübte Ordonnanz; ich frage nicht, woher die Übung?, und er geht.
    Ich liege, draußen ist schon Nacht, obwohl es erst sechs Uhr sein kann. Ich blicke auf die Uhr. Fast halb acht, nicht sechs. Da hat es gar keinen Zweck mehr, sich noch mal aus dem Bett zu bewegen, also schlafe ich ein.
    Schritte auf dem Flur. Ich öffne die Augen. Füße auf dem Flur, barfuß, keine Sohlen zu hören, nur das weiche Knarren der Bohlen. Vor dem Fenster der Mond, fast Vollmond, mit Tendenz zum Neumond. Der Spalt unter der Tür dunkel, also geht da jemand ohne Licht. Ich stehe auf, so leise ich kann, trete an die Tür und öffne sie einen Spalt, als höbe ich den Deckel des eigenen Sarges an, und da sehe ich sie gehen. Die Haushälterin schleicht herum, ihre prachtvollen Hüften, Hanna geht da, aber sie übernachtet doch gar nicht hier. Ich schließe die Tür. Es klopft.
    «Jacek», flüstert es. «Jacek! Mach auf», flüstert sie.
    Jacek? Mit Igas Stimme. Der Vikar heißt Jacek? Mit Salas Stimme.
    Ich öffne nicht. Die Tür.
    Sie ist gar nicht hier, sondern weit entfernt, Kostek, in dem unverbrannten Haus, denn weit vom Städtchen hütet sie in diesem Haus Kinder, denen noch so viel Unglück bevorsteht, so viel Leid, so viel Schmerz, die vierziger Jahre und die fünfziger und die sechziger in Zwoleń, und wozu pflegt sie die Kinder, zu was für einem Leben, wozu? Doch du weißt das nicht, oder vielleicht weißt du es gerade, weißt es zwar nicht von ihnen, sondern allgemein. Weißt du es?
    Schritte auf dem Flur, und ich öffne die Augen. Barfüßige, leise Schritte, ohne Absätze, nur die Bohlen knarren weich. Ich lasse mich leise vom Bett gleiten und trete leise, damit nichts knarrt, zur Tür, aber es knarrt doch, und von der Wand sieht mich der Herr Jesus an, ich öffne die Tür einen Spalt, als würde ich die Stahltür eines Bunkers öffnen, Kugeln fürchtend, langsam, ich würde gern mein Nachtsichtgerät hinaushalten, aber ich habe keins und strenge nur die eigenen Augen an.
    Im dunklen Flur des Pfarrhauses Dzidzia, aber der Mond steht fast rund am Himmel, und Dzidzia ist nackt, nur in

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