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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Stoffbündel. Darauf ein Papierschildchen mit der Unterschrift: Sikorski. Ich gebe es zurück.
    Und es gelingt mir dabei sogar, wieder mit den Schultern zu zucken und halbwegs den Eindruck zu vertuschen, den er mit dieser Unterschrift auf mich macht. Nach dem Schulterzucken finde ich plötzlich die Kraft aufzustehen.
    «Ich verabschiede mich, Sie werden verstehen», sage ich und verbeuge mich, als verlasse ich ein Teekränzchen. «Es war mir sehr angenehm, Sie kennenzulernen.»
    «Herr Konstanty. Ich möchte, dass Sie mit mir arbeiten. Für Polen.»
    «Polen gibt es nicht mehr, Herr Witkowski. Ich will einfach nur nach Hause», erwidere ich.
    Gut geantwortet, mein Kostek. Kraftvoll. Wie ein Mann.
    «Aber ich brauche Sie! Polen braucht Sie!»
    Na bitte, plötzlich ist diese allzu vertrauliche Anrede weg. So geht das Spiel.
    «Sie sprechen Deutsch wie Ihre Muttersprache. Sie haben deutsche Wurzeln. Damit können wir viel erreichen! Wissen Sie, dass Ihr Onkel, Graf Strachwitz, ein Panzerbataillon in der Ersten Panzerdivision des Reichs befehligt?»
    Weiß ich nicht. Wir haben schließlich keinen Kontakt. Er weiß zu viel über dich, Konstanty! Mehr als du selbst über dich weißt! Sei wachsam!
    «Habe davon gehört.»
    «Er ist jetzt in Polen, lieber Herr. Sie hätten auf ihn schießen können, als sie an der Bzura kämpften …»
    Und er verstummt, lässt die Worte verklingen, als hätten sie etwas zu bedeuten. Als trügen sie einen Inhalt, unter dessen Gewicht ich zusammenbrechen müsste.
    Aber ich breche nicht zusammen. Es gibt keine Zeichen, es gibt nur Zufälle, nichts bedeutet etwas über sich selbst hinaus.
    «Na gut, aber was wollen Sie mir damit sagen, Herr Witkowski?»
    «Bitte nennen Sie mich nie bei meinem Namen.»
    Er verstummt. Hat mich zurechtgewiesen wie einen Schüler.
    «Wie wünschen Sie denn, dass ich Sie anspreche?», frage ich eisig.
    «Einfach Ingenieur. Habe ich doch gesagt. Den Herrn können Sie sich sparen, wissen Sie, was die Leute sagen? Das mit den Herren hat sich auf der Straße nach Zaleszczyki erledigt!»
    Und er bricht in Lachen aus, ansteckend, laut, kräftig. Auch ich fange an zu lachen und begreife: Er hat das Thema gewechselt. Hat meine Frage ins Leere fallen lassen, als hätte er sie gar nicht gehört. Aber ich gebe nicht auf. Mich interessiert keine Konspiration, Abomination und nicht die Penetration der deutschen Linien. Ich habe das Paket mit den Pässen gebracht – und fertig, fertig, fertig.
    «Dass der Bruder meines Vaters deutscher Offizier ist, hat keinerlei Bedeutung. Ich bin Pole, ich trage ja nicht einmal den Namen meines Vaters, die Deutschen interessieren mich nicht!», verkünde ich sehr entschieden und stehe auf. «Ich verabschiede mich.»
    Witkowski scheint diese Einleitung zum Abschied nicht gehört zu haben.
    «Selbstverständlich sind Sie Pole, Herr Konstanty. Sie sind sogar viel mehr Pole als ich oder irgendjemand sonst – denn Sie mussten kein Pole sein und sind trotzdem einer geworden.»
    Das ist Unsinn, Kostek, das weißt du sehr gut. Du musstest sehr wohl Pole werden, mehr noch als aus Blutsgründen oder irgendwelchen anderen musstest du Pole werden, weil es der Wille deiner Mutter war. Ihr Wille hat dich geformt, sie hat deinen weichen Stoff in die polnische Form gegossen und dich im Ofen gebrannt, und jetzt bist du ein unverformbarer, ausgehärteter Pole. Ihr Wille hat das bewirkt.
    Sie spürt dich jetzt und hört dich, mein Lieber, sie weiß von dir, schaut mit deinen Augen, folgt dir nach. Aber nicht so wie ich.
    «Polen braucht Sie, Herr Konstanty», deklamiert der Ingenieur weiter. «Viel mehr, als es Sie vor Wochen gebraucht hat, vor dem ersten September. Ich muss jemanden nach Budapest schicken, und Sie eignen sich perfekt. Polen braucht Ihr Deutsch, Ihren Onkel in der Wehrmacht, Ihre aristokratischen deutschen Blutsbande.»
    «Polen braucht einen Grabstein, Herr Ingenieur. Nicht meine Bande. Auf Wiedersehen.»
    Ich strecke ihm die rechte Hand hin. Er ergreift sie, doch statt sie zu schütteln und gleich wieder loszulassen, packt er mich am Ellbogen.
    «Sie haben sich nicht registrieren lassen, richtig? Bei den Deutschen, als Offizier?»
    Ich nicke.
    «Also brauchen Sie neue Papiere. Sie können nicht weiter Konstanty Willemann sein. Die führen Sie in den Unterlagen, Herr Willemann. Schließlich sind Sie der Sohn eines alten Freikorpslers vom Freikorps Oberland, dort hat schließlich Himmler gedient, und Dietrich …»
    «Ich kenne keinen

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