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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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was ist das überhaupt für ein Vorname, Dzidzia? Du gehst also über den Alten Marktplatz, die Stadt unberührt vom Krieg, aber berührt von den Deutschen, alles ist voll von ihnen und voll von dir, mein Deutscher, wie du da so durch Kraków gehst, welche Erinnerungen hast du an Kraków, was weißt du, die Wohnung bei den Goździejewskis, in der du die Frau des Gastgebers ungeschickt und erfolglos zu verführen versuchtest, du erinnerst dich an diese Wohnung und die Autorallyes auf der Straße nach Grójec, Końskie und Miechów, dein Olympia, Jaceks Chevrolet und der Fiat von einem, dessen Namen du vergessen hast, offene Dächer, Schals und Autobrillen, später Wodka und Körper und Gedichtrezitationen, Jarosławs Finger, beim Vortrag erhoben, Leben, da war Leben, Kostek, und jetzt trampelst du deutsch über das Pflaster und betrittst deutsch die Konditorei Maurizio, denn dieser Ort fiel dir als Erstes ein, wohin sonst, wenn nicht in eine Konditorei, ein Café, eine Kneipe? Aber bei Maurizio ziemliche Leere, kein bekanntes Gesicht, du hast Bekannte in Kraków, aber offensichtlich nicht allzu viele, du bestellst wie üblich einen halben Schwarzen und einen Schnellen, erkennst einen der Kellner, doch er erkennt dich nicht, und du weißt nicht weiter, dabei hast du das Geld von Jacek, der jetzt auf dem Sofa liegt, eingewickelt in absolute Melancholie, und du denkst: Vielleicht hat er sich schon die Kugel gegeben, obwohl nein, er hat keine Waffe zu Hause, das würde er nicht riskieren, und anders bringt er sich nicht um.
    Du kennst seine Vorurteile, der schneidet sich nicht die Adern auf, stürzt sich nicht aus dem Fenster, nicht Jacek, nein.
    Da liegt er also in Melancholie, und du drückst sein Geld, einen Teil davon, in eine Kellnerpfote, eine fast menschliche und doch viehische Pfote, und fragst nach einer gewissen Rochacewicz, ausweisen brauchst du dich nicht bei ihm, also sendest du ihm nur Signale, Andeutungen, dass du keine Spur von deutsch bist, sondern womöglich zu einer konspirativen Organisation gehörst, und schiebst zweihundert Złoty in die Pfote, der Kellner flüstert einem anderen etwas zu, einem zweiten und dritten, und eine Woge von Geflüster ergießt sich aus dem Maurizio, fließt, du verlierst sie aus den Augen, der Kellner empfiehlt dir zu warten und gießt dir noch einen Schnellen auf Kosten des Hauses ein und reicht dir Brot und Käse. Und ich trinke Wodka, esse und warte.
    Nach einigen Stunden schwappt die Flüsterwoge zurück und wirft ans Ufer: ein schlankes, sehr frauliches Weib mit langer Nase, zurückhaltend gekleidet, aber offenkundig vermögend, sieht stark nach Aristokratin aus, und zwar nicht eine von diesen halbseidenen, die jetzt überall rumlaufen, sondern altes Geschlecht, Menschenzucht und Dressur, Fürsten von Giedymin oder auch nicht, vielleicht russisch, vielleicht Rurik und andere Normannen, Kurcewicz, Zhyzhewskij oder so, warum also nicht Rochacewicz? So eine also taucht auf, setzt sich ungefragt an meinen Tisch, ein Beinchen über das andere, und fragt nach der Parole. Ich kenne keine Parole, der Ingenieur hat mir keine gesagt.
    Aber mit Ausreden komme ich hier nicht weit. Also flüstere ich ihr ins Ohr: Ich bin von der Organisation, vom Ingenieur, Parole wurde mir keine mitgeteilt, mein Deckname ist Sechsundfünfzig …
    Die Rochacewicz ist für einen Sekundenbruchteil erheitert, dann bewölkt sich ihr Antlitz wieder.
    «Siebenundfünfzig vermutlich?», fragt sie.
    Ich beiße die Zähne zusammen, soll ich zugeben, dass ich selbst nicht sicher bin? Das wird am besten sein. Keine Lügen. Gestern bin ich vereidigt worden. Der Ingenieur hat mir zwei Decknamen genannt. Erst hat er gesagt, Sechsundfünfzig. Dann hat er mich mit Siebenundfünfzig angesprochen. Erklären wollte er nichts.
    Rochacewicz nickt besorgt, ja, ja, so ist er eben, so sieht das leider mit ihm aus.
    Am Ende ihr Entschluss, mit einem Ruck:
    «Ich glaube Ihnen.» Sie erstrahlt.
    Und ich betrachte sie mit einem Begehren, von dem ich nicht weiß, woher es kommt, doch genau so sehe ich sie an, begehrlich.
    Und du siehst sie an mit einem Begehren, von dem du nicht weißt, woher es kommt, aber genau so siehst du sie an, denn du siehst alle Frauen so an, du kannst eine Frau gar nicht anders ansehen, denn von jeder willst du einen Beweis, dass sie dich für einen Mann hält, du selbst bist dir da nicht sicher, bedank dich bei deiner Mutter, Kostek.
    Also du siehst sie begehrlich an und weißt doch, Kostek, du

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