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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Nowy Świat und die Aleje entlang, bis ich das Gelass erreiche, das Iga verschluckt hatte.
    Und den ganzen Weg hast du an Iga gedacht, Kostek, hast dich erinnert an all eure Nächte und das Leuchten ihres Körpers und den Mund und an ihren Geschmack, und hast kein einziges Mal an Hela, Helunia, gedacht, Kostek.
    Hela hat dich nicht verlassen, Kostek, Hela ist fortgegangen, aber nur gespielt, das weißt du gut und bist dennoch in die Szucha gegangen und versteckst dich jetzt im Eingang, öffnest die Tasche, zählst zweitausend Dollar ab, die nicht dir, sondern dem Vaterland gehören, und weiter, Ministerium für öffentliche Aufklärung, du gehst einfach so da hin und nimmst zweitausend Dollar aus der Tasche.
    Szucha  25 , Mączyńskis ungeheuerer Monumentalismus, Wachmann, Kennkarte, Zimmer zweihundertfünfundsiebzig, der sympathische Deutsche in der grauen Uniform ist noch nicht da, also warten, auf der langen Holzbank im Flur warte ich, bis er endlich kommt.
    Er begrüßt dich herzlich, wie einen Freund, und du hältst die Tasche in der Hand, darin so viele Dollars, die nicht deine sind, bist also gleichsam sein Freund, und die Dollars, die du davon abgezweigt hast, hast du in der Hosentasche. Welche Lüge wirst du dir für Witkowski und die anderen ausdenken? Und wenn dich jemand gesehen hätte, wie du hier reingehst, später werden sie sagen «zur Gestapo», wenn dich also jemand gesehen hätte, wie du das Gebäude des ehemaligen Ministeriums betrittst, was sollten sie denken?
    Aber dich hat niemand gesehen.
    Ich grüße den Polizisten in seiner grauen Uniform sehr höflich, daraufhin ziehe ich einfach das Geld aus der Tasche und lege es auf den Schreibtisch. Der Deutsche zählt es nicht, schiebt es sofort in die abschließbare Schublade, ohne auch nur für einen Augenblick das Lächeln von seinen Lippen zu wischen.
    «Was jetzt?», frage ich.
    «Warten Sie einen Augenblick», erwidert er höflich. «Sie wird gleich entlassen.»
    Er dachte an seine kleine Telefonistin Bernadette, als er für diese Freilassung sorgte, während er auf das Geld wartete, und die ganze Geschichte kam ihm ungemein romantisch vor.
    So stehst du an einem Oktobermorgen in der Szucha und wartest auf deine ehemalige Geliebte. Ein Junge mit Tornister schlurft die Straße entlang, denn der Unterricht in den allgemeinbildenden Schulen ist wiederaufgenommen worden, für die Schüler ist der Krieg wirklich zu Ende. Wenn man zur Schule muss, ist der Krieg vorbei. Der Junge wird fünf Jahre später im August umkommen, als er das Schicht-Haus erobern will mit einer Einheit, die sich Kompania nennt, obwohl sie nur mit drei Pistolen und einigen Dutzend Granaten bewaffnet ist, er selbst wird weder Pistole noch Granate haben, wird hinter einer Mauer Schutz suchen, später werden sie ihn erschießen, und niemand wird sich an ihn erinnern, das war’s mit seinem Kampf.
    An einer anderen Mauer klebt ein junger Mann mit Radlermütze einen Zettel an, indem er ihn mit Hilfe einer großen Bürste mit Klebstoff beschmiert. Das weiche, klebrige Haar gleitet übers Papier, es knickt träge in den Hüften wie eine orientalische Tänzerin. Auf dem Zettel liest du, dass Stadtpräsident Starzyński die Bevölkerung zur Zusammenarbeit mit den Versorgungsdelegierten aufruft, zum Widerstand gegen Spekulation und überhöhte Preissteigerungen, gegen die rechtliche Schritte unternommen werden, doch der gute Wille der Bürger und eine entschiedene öffentliche Meinung können in dieser Hinsicht bereits viel bewirken. Nur die Pflichterfüllung aller kann die Restitution der normalen Bedingungen, den Wiederaufbau der Hauptstadt und eine höhere Beschäftigung in der Stadt gewährleisten.
    Du denkst mit Sympathie an Präsident Starzyński, früher hast du keinen Gedanken an ihn verschwendet, jetzt schon, andere erzählen viel von seinen Sendungen, du warst damals gar nicht in Warschau, und vor dem Krieg – was interessierte dich irgendein kommissarischer Präsident, Präsidenten haben dich überhaupt nie interessiert.
    Aber jetzt, obwohl du Deutscher geworden bist, hast du mehr für Warschau übrig, Kostek, da eben er hier ist, sich mit den Deutschen einig wird, die Stadt regiert. Das ist gut. Gut, dass er hiergeblieben und nicht abgehauen ist wie all die anderen Lumpen.
    Und plötzlich, so plötzlich, wie sie verschwunden ist, steht sie da. Sie war weg, und auf einmal ist sie da. Iga. Im dünnen hellen Mantel, ist da. War weg und ist da. Stand nicht hier, steht jetzt

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