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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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ehemaligen Liebhaber, aus ihnen spinnt sie eine verschworene Organisation von Männern, die nie aufgehört haben, sie zu lieben, und sie nimmt diese ihre Liebe und wirft sie Polen vor die Füße.
    Sie wartet nicht auf dich. Als sie dich gesehen hat, wusste sie sofort, dass du nicht gut genug für sie bist, dabei geht es gar nicht um Grafen- und andere Titel. Selbst wenn sie von deinem Vater aus ältestem Uradel wüsste, wärest du nicht gut genug für sie, gut genug war dagegen ein Automechaniker, der sich so liebevoll um ihren Hispano-Suiza kümmerte, wie er sie selbst liebkoste, jetzt wird er Bomben konstruieren, um die Nazis zu töten, später werden die Nazis ihn fassen und erschießen, und Dzidzia wird ihn nicht beweinen, denn sie beweint nur einen einzigen Mann.
    Für mich aber bist du gut genug, Kostek, für mich bist du der, der für sie ihr erster Geliebter war, denn für mich ist jede Liebe die erste, denn jeder Mann, dem ich nachgehe, verlässt mich, seinen Schatten, auf seine Art, für jeden bin ich ganz neu.
    Und morgens macht Dzidzia Frühstück, nimmt es aber nicht mit dir zusammen ein, also isst du Brot und Rührei allein und trinkst schwarzen Kaffee, dann gehst du raus mit der Tasche voller Banknoten, wieder Fünfzigdollarscheine mit Grant, sie hat sie dir gezeigt, du gehst erniedrigt, sie hat dir sogar die Hand zum Abschied gegeben, gelächelt und gesagt: «Wir sehen uns wieder, ganz bestimmt.»
    Doch das kann deine Erniedrigung und deine verletzte Seele nicht heilen.
    Also aus dem Mietshaus in der Długa zum Bahnhof, dort Warten und Sorge um die Tasche, ob sie jemandem auffällt, am liebsten würdest du sie an deine Hand ketten. Und Angst vor der Kontrolle, denn die Kennkarte ist ja keine Erklärung für die Dollars in der Tasche, woher all die Dollars, und wofür, also Warten und Angst, am Ende der Zug und Diskussionen mit dem deutschen Offizier, der ihn leitet, und der Hass in den Augen des polnischen Schaffners, und wieder Nacht, nach Norden, Nacht. Diesmal ein leeres Abteil. Polen werden nicht in den Zug gelassen, und nach Warschau fahren keine Soldaten, aus Warschau fahren alle weg, warum sich nicht mit Hilfe der Kennkarte nach Rumänien durchschlagen, nach Ungarn oder Frankreich fahren, zu den polnischen Streitkräften, warum nicht mit den Franzosen gegen Berlin ziehen, sie haben schon einen Krieg gegen Deutschland gewonnen, das schaffen sie doch noch ein zweites Mal.
    Aber nein, ich will kein Frankreich, ich muss meine Geldtasche abgeben, der Krieg ist hier, hier werde ich kämpfen, hier werde ich, falls nötig, enden. Ganz früh am Morgen steige ich am Danziger Bahnhof aus, dort hält der Zug aus geheimnisvollem deutschem Grunde, es ist noch Polizeistunde, doch was kümmert die mich, ich bewege mich furchtlos durch die Stadt, bin schließlich Deutscher.
    Wenn ich jetzt gleich zur Łubieńska gehe, werde ich die Tasche abgeben müssen. Darin ist das Geld, viel Geld. Iga. Im Gefängnis. Wenn ich nach Hause gehe, könnte mich dort Witkowski abfangen, ich werde die Tasche hergeben müssen.
    Also nicht.
    Was soll das heißen, Kostek? Iga ist Privatangelegenheit, die Frau eines Freundes, ehemalige Geliebte, Iga ist nicht das Vaterland, dieses Geld gehört dem Vaterland. Ich weiß, dass das eine Lüge ist wie alles, denn nur das Nichts ist wahr, doch du weißt das nicht, darfst also nicht verraten, woran du glaubst, Kostek, das darfst du nicht.
    Und dennoch wirst du es verraten, denn du bist ein Mann des Verrats. Wenn ich dir nur sagen könnte, dass du kein Verräter sein kannst, weil du völlig allein bist! Doch das kann ich nicht.
    Nein und basta, dort in deutscher Untersuchungshaft ist ein Körper, den ich liebkost habe, ich kann sie nicht dort lassen, nicht jetzt, da Hela gegangen ist.
    Also gehe ich kurz in die Stadt, und was sehe ich – die Straßenbahn! Die Straßenbahn fährt, Linie drei. Ich steige glücklich ein, an der Überführung beim Bahnhof, und los geht’s, leider nur bis zum Krasińskiplatz. Hier war ich seit Kriegsausbruch nicht mehr, hat sich so ergeben, jetzt ist ein Teil des Platzes freigeräumt, wo die Straßenbahn fährt, aber es liegt noch eine Menge Schutt herum, zerbrochene Fuhrwerke stehen da, und Kiliński droht dem Himmel mit seinem Säbel.
    Der Tramfahrer belehrt mich, dass am Nowy Świat schon ein Bus fährt, Nowy Świat, Jerozolimskie, bis zum Zawiszyplatz, aber das ist nicht meine Strecke. Eine Kutsche finde ich nicht, muss also zu Fuß gehen und wandere den

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