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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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wieder und wieder von Bomben zerrissen und zu Brei zerquetscht zu werden, um wieder zu heilen? Zu heilen, nur um erneut zerfetzt zu werden? All die Schmerzen, immer und immer wieder?« Ich rang um Worte. »Was haben die Architekten dieses Infernos sich dabei gedacht? Welches kranke Hirn brütet so etwas aus und empfindet so viel Freude an seiner Idee, um sie in die Tat umzusetzen?«
    Meliosch sah mich lange an. »A Mensch tracht un Gott lacht«, sprach er schließlich. »Bist noch net lang genug hier, un des is auch net der Ort, der fjr dich bestimmt is. Falls de den Traum hast, flejhen zu kenne, dann trejm ihn, solang de kannst. Herest uff zu trejme, bist verloren – so wie de armen Kreaturen dort draußen, oder die im Pechsee … oder ich.«
    »Niemand ist hier verloren!«
    Meliosch schüttelte traurig, aber bestimmt den Kopf. »Kennst det zwejte Gebot?«
    »Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen.«
    »So stejts geschriben«, nickte der Mann. »Aber jejder von uns hot just det getan, als wir de Golems Lebben ejnhauchten – indem wir de gehejmen Namen des Herrn in ihre Stirnsiegel ritzten: Emeth, de Wahrhejt.«
    »Und weshalb jagen sie euch?«
    »Wejl wir ihnen det Lebben wieder genommen hob’n, als se greßer un greßer wurden un de Sabbath entehrten. Wir leschten det Aleph aus de Gottesnamen, un wos blieb, war Meth – der Tod.« Meliosch wischte sich mit den Händen übers Gesicht und blickte mich müde an. »Fjnfhundert Meter von hier entfernt steht a Shul am Ende der Straß.«
    »Eine was?«
    »A Synagog. Du siehst se, sobald de diesen Schlupfwinkel verlesst. Hinter der Shul befindet sich a frejstehendes Stjck Mauer, de diesen Sektor vom nejchsten trennt. Wenn de’s schaffst, jber de Mauer zu klettern, gelangst uff de Straß der Temper. Dort wacht zwar auch a Unzahl Chroner, aber solang de dich mit der Masse bewejgst, wirst net auffallen.«
    »Was erwartet mich dort?«
    »Der Sektor der Gleichgjltigen un der Trejgen. De Verschwender von Lebbe un Zejt wern dort zu ewiger Ejle getrieben, ohne Rast un Verharren. Zejtmessgerejte jberwachen den Fluss, derewejl de Chroner de Bjßer antrejben. Musst nur druff achten, dass de nie stejn bleibst. Glejchmut wird uff der Stelle bestraft. Gerejtst jedoch ins Straucheln un stjrzt zu Boden, bist verloren.«
    »Und wenn ich wieder aufstehe?«
    Meliosch schüttelte den Kopf. »Wer dort feilet, stejt nich mehr uff. Dafjr sorgen de Temper.«
    »Gibt es nicht einen etwas freundlicheren Sektor in dieser Stadt?«
    Meliosch lachte auf. »Hippolyt, wos erwartest vom Scheol? Wirst hier nirgendwo a Flecken finden, der angenehm is un zum Verwejlen einlejdt. Drej Sektoren grenze ans Ghetto. Im ersten findest den gesamten rejmischem Abschaum: Kejser, Despoten, Gladiatoren, Konsule, Cesaren … Se werden gehetzt von wilden Tieren – Stieren, Lewen, Allejgatoren, Hjejnen, Tejgern, Weifen – a urbaner Circus Maximus. Wie gefiel dir det?«
    »Ich bin begeistert.« Schaudernd erinnerte ich mich an meine Taxifahrt durch das brennende Rom.
    »Im zwejten Sektor warst berejts, so wie de stinkst, un de dritten findest hinter der Shulmauer. Doch hjte dich, de Shul zu betreten. Es wimmelt in ihr von Ask’nasim.«
    »Was machen die in der Synagoge?«
    »Se brennen! Un der Schmerz macht se zu Bestien!«
    Ich musste schlucken. »Warum kommst du nicht mit mir? Zusammen schaffen wir es vielleicht, einen der Ausgänge zu erreichen.«
    Meliosch schüttelte erneut den Kopf.
    »Sei verdammt noch mal nicht so starrköpfig.«
    »Ada wjrd mich daran hindern.«
    »Wer?«
    »Unsere Schepfung. Unser Golem!«
    »Ada?«
    »Den Mejster traf daran kejne Schuld!«, missdeutete Meliosch meinen Blick. »Jahre des Studiums gab der Rebbe unfrejwillig fjr sei Werk, denn vom Gelingen sejnes Tuns hings ab, ob der Kajser ihm fjrderhin Schutz gewehret. Der Mejster schlug sich gut, besser, als man erwarten konnt – nur sejn Gehilfe war übermjdet un unkonzentriert. Werrend der Stunden, da wir de Lehmklumpen umkrejsten, bracht ich a paar Silben durcheinander, un wir mussten wieder a paar Runden zurjck un verbessern. No ja, ich mejn, Jehova braucht schließlich auch zwej Anlejfe.«
    »Aber ihr habt das Werk vollendet …«
    »Oh ja, det Experiment gelang wohl, allejn es wurd kejn Golem draus. Det hejßt, kejn mennlicher …«
    »Bitte?«
    Meliosch zuckte die Schultern. »Der Mejster war außer sich, denn wieder war a Schepfung misslungen. Oder besser gesagt: anders ausgefallen, als von ihm vorgesehen.«
    »Ein

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